Asyldeal im Bundesrat: Baden-Württemberg verkauft Roma-Rechte

Im zweiten „Asylkompromiss“ nach 1992 wurde das Menschenrecht auf Asyl erneut Gegenstand eines politischen Geschäfts

Am vergangenen Freitag stimmte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Bundesrat der Einstufung Serbiens, Mazedoniens und Bosnien-Herzegowinas als so genannte „sichere Herkunftsstaaten“ zu. Für Flüchtlinge aus diesen Ländern gilt damit die Regelvermutung, ihre Asylanträge seien „offensichtlich unbegründet“. Vorangegangen war ein politischer Deal. Im Gegenzug zu der Asylrechtsverschärfung wurden Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang, der Residenzpflicht und im Sozialrecht zugesagt.

Die Zustimmung Kretschmanns zu dieser Asylrechtsverschärfung stellt einen Tabubruch dar: Mit Nachdruck haben Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen von amnesty international über PRO ASYL bis zu den Flüchtlingsräten darauf hingewiesen, dass insbesondere Roma für ihre Flucht aus den Balkanstaaten oftmals gute Gründe haben: Viele leben in extremer Armut, ohne Wasser und Stromanschluss, in Wellblechbaracken am Rande der Städte, vielfach ohne Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Bildung (siehe hier). Immer wieder kommt es auch zu rassistischen Übergriffen. Fachleute sprechen daher von „kumulativer Verfolgung“ und betonen, dass auch solche Gründe in der Summe eine Flüchtlingsanerkennung begründen können. Auch Homosexuelle werden diskriminiert und angegriffen. Es ist insofern falsch, die Balkanstaaten zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären – für die Betroffenen sind sie alles andere als „sicher“.  Die Zustimmung Baden-Württembergs ist vor allem deshalb fatal, weil hier eine vergleichsweise schutzlose Gruppe, die der Roma-Flüchtlinge aus dem Balkan, öffentlich an den Pranger gestellt wird: Ihr habt bei uns nichts zu suchen, lautet die auch von Winfried Kretschmann mitgetragene Botschaft, die durchaus geeignet ist, den offenen und latenten Antiziganismus in Deutschland weiter anzuheizen.

Falsch ist es allerdings auch, die rechtliche Bedeutung der vorgenommenen Gesetzesänderung zu überschätzen: Schon bislang wurden rund 90% der Asylanträge von Flüchtlingen aus den Balkanstaaten als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Das Bundesamt beziffert die Beschleunigung des Verfahrens mit der nun festgelegten Regelung deshalb lediglich auf „zehn Minuten“. Denn nun müsse nicht mehr begründet werden, warum ein erfolgloser Antrag auch noch „offensichtlich“ unbegründet ist. Auch zukünftig findet aber für Asylsuchende aus Serbien, Bosnien und Mazedonien das unveränderte Asylverfahren beim Bundesamt statt. Das heißt: Die Antragsteller werden mündlich angehört und können alles vortragen, was für eine Asylgewährung und ähnliche Schutzmechanismen relevant ist. Der Gesetzgeber hat hier insofern nicht das Asylrecht für Balkan-Flüchtlinge abgeschafft, aber  – gegen die Kritik von Menschenrechtsorganisationen – eine fragwürdige Rechtspraxis (und Rechtsprechung) nachträglich bekräftigt und legitimiert, um so ein öffentliches Signal zu setzen: Haut ab, lautet die Botschaft, wir wollen eure Armut nicht, geht zurück in eure Wellblechhütten.

Was hat die baden-württembergische Landesregierung nun für diese Zustimmung erhalten?

  • Lockerung der Residenzpflicht: Das Verbot, ein zugewiesenes Bundesland zu verlassen, soll nach drei Monaten enden. Allerdings soll nur ein vorübergehender Aufenthalt in anderen Bundesländern entkriminalisiert werden: Ein Wohnsitzwechsel zum Ort des Arbeitsplatzes oder der Bildungseinrichtung ist weiterhin kaum möglich.
  • Lockerung des Arbeitsverbotes: Der Wegfall der Vorrangprüfung beim Arbeitsmarktzugang nach 15 Monaten (statt bisher 48 Monaten) ist eine wichtige Verbesserung der Rechtslage. Im Zusammenhang mit der Verkürzung des Arbeitsverbots auf drei Monate, die der Gesetzentwurf ohnehin vorsah, ist nun eher die Chance gegeben, Flüchtlingen nach einer sprachlichen Qualifikation eine vernünftige Arbeitsperspektive vermitteln zu können. Allerdings ist die Änderung auf zunächst drei Jahre befristet. Den Ausländerbehörden soll es überdies weiter erlaubt sein, im Einzelfall Arbeitsverbote wegen mangelnder Mitwirkung an einer Abschiebung zu erteilen.
  • Abschaffung des Sachleistungsprinzips nach Verteilung aus der Erstaufnahme: Dass das Sachleistungsprinzip im Asylbewerberleistungsgesetz aufgehoben werden soll, ist ein Fortschritt, der uns aber nicht zufrieden stellen kann: Weiterhin soll das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft bleiben, das  z.B. im Bereich der medizinischen Versorgung gravierende Leistungseinschränkungen für Asylsuchende vorsieht.

Entscheidend für das Einknicken Baden-Württembergs ist aber womöglich noch ein ganz anderes, eher fiskalisches Argument: Vereinbart wurde auch, dass im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen die Länder und Kommen bei Ausgaben für Asylsuchende entlastet werden sollen. Siehe hierzu die Protokollerklärung der Bundesregierung vom 19.09.2014.

Kai Weber

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