Genf/Tripolis – Das UN-Flüchtlingskommmissariat (UNHCR) ist sehr besorgt angesichts der Berichte über zunehmende Gewalt und Diskriminierung gegenüber Menschen im westlichen wie im östlichen Teil Libyens, die aus dem subsaharischen Afrika stammen. UNHCR erneuert daher den Appell, die Verletzlichkeit von Flüchtlingen und Migranten aus dem subsaharischen Afrika anzuerkennen und Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen. UN-Flüchtlingskommissar António Guterres und IOM-Direktor Ambassador Swing werden heute in Tunesien erwartet.
Gestern interviewte ein UNHCR-Team an der ägyptisch-libyschen Grenze eine Gruppe von Sudanesen, die aus Ostlibyen kamen. Sie berichteten, bewaffnete Libyer gingen von Tür zu Tür und zwängen Menschen aus Subsahara-Afrika, das Land zu verlassen. In einem Fall soll ein 12-jähriges Mädchen aus dem Sudan sogar vergewaltigt worden sein. Die Gruppe gab an, dass die Dokumente vieler Menschen konfisziert und vernichtet würden. Ähnliche Berichte erreichten UNHCR auch von einer Gruppe Tschader, die im Lauf der vergangenen Tage aus den Städten Bengasi, Al Bayda und Brega geflohen waren.
An der ägyptisch-libyschen Grenze kam am Wochenende ein Mann bei einem Kampf im Rahmen einer Nahrungsmittelausgabe ums Leben. UNHCR geht davon aus, dass 3.500 Bangladescher seit mehr als zehn Tagen an der Grenze auf ihre Weiterreise warten. Ihre Beunruhigung steigt zunehmendt. Viele von ihnen müssen in der bitteren Kälte unter freiem Himmel schlafen, da die Unterkünfte an der Grenze überfüllt sind. Gestern wurden über 14.000 Mahlzeiten am Menschen verteilt, die in der Nähe des Grenzpostens auf ihre Ausreise warten. UNHCR schätzt die Zahl der Wartenden auf 5.000.
An beiden Landesgrenzen warten überwiegend männliche Bangladescher auf ihre Evakuierung. Allerdings sind derzeit Langstreckenflüge weder nach Bangladesch noch in andere asiatische Staaten oder in das subsaharische Afrika in ausreichender Zahl vorhanden.
Einige Länder haben die Finanzierung von Langstreckenflüge angeboten. UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) finanzieren derweil Charterflüge. Insgesamt braucht es wohl 40-50 Flüge, um alle Betroffenen ausfliegen zu können. Hierzu bedarf es dringend weiterer Unterstützung.
Verglichen mit der Anzahl von vor zwei Wochen, geht die Zahl der Neuankömmlinge an der tunesisch-libyschen Grenze stetig zurück; am Montag dieser Woche trafen 2.485 Menschen an der Grenze ein. Dieser massive Rückgang überschneidet sich mit der Zunahme der Kämpfe im Westen Libyens, die wiederum negative Auswirkungen auf die Mobilität der Menschen hat.
Berichte von Neuankömmlingen in den vergangenen Tagen bestätigen, dass die libysche Armee die Hauptverkehrsrouten kontrollieren und den Reisenden Mobiltelefone, Speicherkarten und SIM-Karten abnimmt.
In dem UNHCR-Übergangslager in Choucha nahe der Grenze sind derzeit 15.000 Menschen untergebracht; 311 von ihnen sind besonders schutzbedürftig, darunter Somalier und Eritreer.
Die Gesamtzahl derer, die vor Gewalt in Libyen fliehen, hat heute 212.000 überschritten. 112.169 flohen bislang nach Tunesien, darunter mehr als 19.000 Tunesier und 45.000 Ägypter. 98.188 wurden in Ägypten registriert, darunter 68.000 Ägypter. 2.025 Menschen sind in den Niger geflohen, mehr als 1.800 von ihnen stammen aus dem Niger.
UNHCR, IOM und das UN-Amt für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) sind sich einig, dass sich die Lage für die Menschen in Libyen weiter verschlechtern wird, sollten die Kämpfe andauern. „Derzeit sind es nur rund 15 Prozent der Ausländer in Libyen, die die Möglichkeit haben, das Land zu verlassen, es wollen aber viel mehr raus“, so IOM-Direktor Ambassador Swing bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Genf am 7. März. „Unser Szenario geht davon aus, dass bis zu 400.000 Menschen Libyen verlassen könnten, inklusive der über 200.000, die bereits geflohen sind“, sagte Valerie Amos von OCHA. „Weitere 600.000 in Libyen könnten humanitäre Hilfe benötigen.“
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres lobte indessen die außergewöhnliche Großzügigkeit der tunesischen und ägyptischen Regierung. „In Zeiten, in denen so viele Grenzen verschlossen sind, so viele Abschiebungen und Zurückweisungen vorherrschen, zeigen diese beiden Länder der Welt ein außergewöhnliches Engagement, indem sie ihre Grenzen für alle offen halten, die Schutz und Sicherheit suchen“, so Guterres.
António Guterres und Ambassador Swing treffen heute in Tunesien Regierungsvertreter und Vertreter der Zivilgesellschaft. Dabei besuchen sie auch ein Lager an der Landesgrenze zu Libyen.
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