Von ZuFlucht Wendland in Lüchow erreichte uns in der vergangenen Woche ein Bericht über einen Polizeieinsatz gegenüber einem Geflüchteten. Den Bericht dokumentieren wir nachfolgend. Die Unterstützer:innen haben Gespräche mit dem Ordnungsamt und der Polizei vereinbart, um über den Fall zu sprechen.
Zwangseinweisung verhindert
Am Samstagabend (19.10.19) kam es in Lüchow vor der geschlossenen Tür vom Cafe Zuflucht zu einem Polizeiübergriff gegen einen Geflüchteten (P.).
Weil es vor dem Cafe ZuFlucht Internetzugang über das ZuFlucht WLAN gibt, hielt sich P. dort auf und telefonierte. Vielleicht etwas lautstark, vielleicht etwas lange. Ein Taxifahrer rief jedenfalls bei der Polizei an, woraufhin die mit einem Streifenwagen aufkreuzte, um nach dem Rechten zu sehen.
Nach späterer Aussage der Beamt:innen hat P. weder mit Sachen randaliert noch andere Personen belästigt. Er war einfach nur laut und nach Eintreffen der Beamt:innen zunehmend „gefühlt agressiv“.
Während der Kontrolle empörte sich P. immer weiter und wollte sich nicht beruhigen lassen. Daraufhin legten die Beamt:innen P. in Handschellen und nahmen ihn mit auf die Wache, wo er sich verständlicherweise erst recht nicht beruhigte. In einem panischem Hilferuf per Telefon an seine Freunde sprach er davon, dass die Polizei ihn festgenommen hat und nach Afrika abschieben wolle.
Seine Freunde alarmierten andere Unterstützer:innen, woraufhin eine Unterstützerin von ZuFlucht Lüchow dann bei der Polizei anrief und sich erkundigte. Sie erfuhr folgendes: Die Situation auf der Polizeiwache war offensichtlich in eine Sackgasse gelaufen. Die Polizei konnte entgegen erster Vermutungen keinen Atemalkoholgehalt feststellen, also wurde P. per Rettungswagen ins Krankenhaus Dannenberg geschafft, angeblich um auf Drogen untersucht zu werden.
In der Notaufnahme des Krankenhauses geriet P. glücklicherweise an eine besonnene Ärztin, die P. nach eingehendem Gespräch weder Eigen- noch Fremdgefährdung attestierte, nicht von einer psychotischen Störung ausging, sondern einen verständlicherweise aufgebrachten und erregten Geflüchteten vor sich sah. Außerdem sollte nämlich überprüft werden, ob eine zwangsweise Einweisung in die geschlossene Psychiatrie angebracht ist.
In dieser Situation kam ein weiterer Unterstützer dazu, was P. deutlich beruhigte. Er konnte die Ärztin über P.s Geschichte mit Verhaftungen und Abschiebehaft informieren, woraufhin sie die Polizeikontrolle vor dem Cafe ZuFlucht als mögliche Retraumatisierung einstufte und fragte, ob der Unterstützer ihn anschließend mitnehmen könnte. Nachdem die Polizei einen räumlichen Abstand herstellte, wurde er zugänglicher.
Nach kurzer Besprechung mit dem anwesenden Vertreter des Ordnungsamtes (es handelte sich ja um eine angestrebte Zwangseinweisung und da muss das Ordnungsamt mit von der Partie sein…) und Entgegennahme des Ärztinberichtes wurden P. die Handschellen abgenommen. Wir konnten gehen…
Der Vertreter des Ordnungsamtes befand sich laut eigenen Angaben rein zufällig an diesem Tag in Rufbereitschaft. Er meinte, wir sollten doch mal überlegen, ob wir für solche Fälle in der Rettungsleitstelle eine Telefonnummer hinterlegen können, über die sie uns dann zeitnah mit hinzuziehen können.
Kommentare von den Unterstützer:innen
„Bei solchen Einsätzen frage ich mich, ob der Polizei gar nicht klar ist, dass jeder ihrer Einsätze Angst und Entsetzen bei den betroffenen Menschen verstärkt. Da gibt es kein Gefühl von „dein Freund und Helfer“. Der Diensthabende, mit dem ich telefoniert habe, reagierte sehr schroff, als ich ihn wegen der Abschiebeangst ansprach. „Haben wir doch gesehen, Abschiebung ist ausgesetzt, steht ja in seinem Ausweis.“ Er könnte auch keine deutlich beruhigenden Worte an die begleitenden Beamten weiterleiten. Zum Glück funktioniert unser Netzwerk, so dass ein Unterstützer nach den Rückfragen bei der Polizei gleich ins Krankenhaus fuhr.“
„Das ist doch wieder ein klares Beispiel für den ganz alltäglichen Rassismus – oder wäre es vorstellbar, dass ein*e zu laut telefonierende_r weißhäutige_r Deutsche_r einen Taxifahrer dazu verleiten würde, die Polizei zu benachrichtigen und diese wiederum dazu, der Person Handschellen anzulegen und sie mit zur Polizeiwache zu nehmen? Wohl eher nicht!“
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...