„Junge unbegleitete Geflüchtete haben ein Recht auf Zukunft“ – Fachtag in Hannover fordert starke Jugendhilfe

Hannover, 11. September 2025. Rund 80 Fachkräfte der Jugendhilfe haben beim Fachtag des Flüchtlingsrats Niedersachsen und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen im Pavillon Hannover deutlich gemacht: Junge unbegleitete Geflüchtete bekommen in Deutschland nach wie vor nicht ausreichend Versorgung und Teilhabe.

Aufgrund einer Überlastung des Jugendhilfesystems verbleiben sie oftmals viel länger in „Übergangseinrichtungen“ (Inobhutnahme), die teilweise nach niedrigeren Standards als reguläre Jugendhilfeeinrichtungen arbeiten und können nicht in passgenaue Hilfen übergehen. Somit verringern sich die Teilhabe- und Integrationschancen drastisch. Die Teilnehmenden nutzten den Tag, um sich fortzubilden und auszutauschen – und stellten klar: Es braucht dringend mehr Ressourcen, Angebote und rechtliche Sicherheit für geflüchtete Kinder und Jugendliche.

Alarmierende Ergebnisse aus Praxis und Forschung

Eine aktuelle Umfrage des Bundesfachverbands Minderjährigkeit und Flucht (BumF) unter 728 Fachkräften verdeutlicht die Problemlage:

  • 72 Prozent der befragten Fachkräfte berichten, dass junge Geflüchtete verstärkt Gewalt- und Rassismuserfahrungen machen.
  •  aus Sicht der befragten Fachkräfte haben mehr als die Hälfte der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten stark eingeschränkten Zugang zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe.

Diese Ergebnisse spiegelten sich auch im Austausch auf dem Fachtag wider.

„Das Interesse war riesig – wir mussten viele Interessierte auf eine Warteliste setzen. Das zeigt, wie groß der Bedarf an Qualifizierung und Austausch ist, aber auch, wie engagiert Fachkräfte für diese Jugendlichen eintreten“, sagte Friederike Vorwergk vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

Kinderrechte gelten für alle

Die Referent*innen positionieren sich deutlich:

„Die Standards in der Kinder- und Jugendhilfe müssen für alle jungen Menschen gelten. Übergangslösungen mit abgesenkten Standards dürfen nicht dauerhaft eine Zweiklassengesellschaft schaffen“, so die Vertreterinnen des Flüchtlingsrats.

Zudem kritisieren Sie politische Verschärfungen, etwa beim Familiennachzug. Gleichzeitig betonten sie die hohe Bildungsbereitschaft vieler junger Geflüchteter.

„Genau deshalb braucht es mehr Förderung, nicht weniger“, erklärte Dörte Lüers.

„Wer hier spart, riskiert den Schutz von Kindern und Jugendlichen“

Wibke Behlau vom Paritätischen Niedersachsen machte deutlich:

„Ein Rückgang der Zahlen darf jetzt nicht als Vorwand dienen, Mittel in der Jugendhilfe oder Migrationsberatung nicht zu erhöhen oder gar zu kürzen. Es müssen nachhaltige Strukturen geschaffen werden. Einsparungen in der Jugendhilfe sind absolut kontraproduktiv – wer hier spart, riskiert den Schutz von Kindern und Jugendlichen.“

Kritik an geplanter Asylreform

Besondere Sorge bereitet den Veranstalterinnen die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese sieht unter anderem vor, dass künftig in Ausnahmefällen wenn eine ernsthafte Gefahr für das Leben, für die körperliche Unversehrtheit Dritter oder für bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgehen, auch Minderjährige in Asylverfahrenshaft genommen werden könnten – eine Entwicklung, die die Fachkräfte als „alarmierend“ bezeichneten.

Appell an Politik und Gesellschaft

„Wir als Gesellschaft können nur profitieren, wenn das Ankommen und Aufwachsen junger Geflüchteter von starken Strukturen in der Jugendhilfe begleitet wird“, betonten die Veranstalter*innen.

Ein Rückgang der Zahl an Geflüchteten dürfe kein Vorwand sein, Mittel zu kürzen. Stattdessen seien nachhaltige Strukturen nötig, die Kinderrechte konsequent sichern.

 

 

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!