Stellungnahme des Landesverbandes der Êzîden in Niedersachsen zur Abschiebung der jesidischen Familie Qassim in den Irak

Wir dokumentieren die Stellungnahme des Landesverbandes der Êzîden in Niedersachsen zur Abschiebung der jesidischen Familie Qassim in den Irak, der wir uns vollumfänglich anschließen.
Oldenburg, den 23. Juli 2025

Mit Bestürzung und tiefer Sorge haben wir als Landesverband der Êzîden in Niedersachsen von der Abschiebung der jesidischen Familie Qassim aus Brandenburg in den Irak erfahren – und das trotz eines am selben Tag ergangenen positiven Gerichtsbeschlusses zugunsten der Familie.

Link:https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/07/abschiebung-jesidische-familie-brandenburg-irak.html

Diese Entscheidung stellt einen dramatischen Rückschritt im Schutz von Überlebenden des Völkermords an den Jesiden dar. Die Familie Qassim ist – wie zehntausende andere Jesidinnen und Jesiden – vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus dem Nordirak geflohen. Sie hat nicht nur schwerste Menschenrechtsverbrechen überlebt, sondern sich in Brandenburg ein neues, sicheres Leben aufgebaut. Die Kinder der Familie waren vollständig in Schule und Gesellschaft integriert. Es gab keinerlei strafrechtliche Auffälligkeiten – im Gegenteil: Die Familie war ein positives Beispiel gelungener Integration.

Dass diese Familie abgeschoben wurde, obwohl das Verwaltungsgericht Potsdam noch am Tag der Abschiebung Zweifel an der Rechtmäßigkeit der BAMF-Entscheidung geäußert und den ablehnenden Bescheid aufgehoben hat, ist aus rechtsstaatlicher und humanitärer Perspektive nicht nachvollziehbar. Die Tatsache, dass die Entscheidung des Gerichts das Bundesinnenministerium offenbar nicht rechtzeitig erreicht hat oder ignoriert wurde, ist erschütternd.

Die Deportation in das Herkunftsland, in dem Jesidinnen und Jesiden weiterhin systematischer Diskriminierung, Gewalt und existenzieller Bedrohung ausgesetzt sind, widerspricht nicht nur dem moralischen Anspruch Deutschlands, sondern auch der vom Bundestag 2023 anerkannten Verantwortung für die Opfer des Völkermords.

Wir fordern:

1. Die sofortige Rückholung der Familie Qassim nach Deutschland im Rahmen eines Rückholungsverfahrens gemäß den Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes.

2. Einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesidinnen und Jesiden, um solche tragischen Fehlentscheidungen zukünftig zu verhindern.

3. Eine dauerhafte Bleiberechtsregelung für Überlebende des Völkermords, wie sie von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsverbänden seit Jahren gefordert wird.

4. Eine Untersuchung der Vorgänge rund um diese Abschiebung, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Gerichten, Innenministerien und dem BAMF.

Wir Jesidinnen und Jesiden in Deutschland setzen unser Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat. Der Schutz von Überlebenden eines anerkannten Völkermords darf niemals zur Disposition stehen – weder aus politischen noch aus verwaltungstechnischen Gründen.

Sahap Dag

1. Vorsitzender
Landesverband der Êzîden in Niedersachsen

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