KEIN RUHMESBLATT: 15 Jahre Diskriminierung

Wer in Deutschland um Asyl nachsucht, gerät sofort in die Fänge der deutschen Bürokratie und bekommt sie am eigenen Leib zu spüren.

So wie es viele Flüchtlinge für selbstverständlich halten, funktioniert das deutsche Asylsystem nämlich nicht: Arbeit suchen, eine Unterkunft besorgen, bei den Behörden den Antrag auf Asyl stellen. So würde wohl jeder vorgehen, der einmal darüber nachdenkt, was im Fall einer Suche um Zuflucht zu tun wäre. Allerdings treffen Flüchtlinge in Deutschland eine gänzlich andere Situation an. Nach der Registrierung sind zunächst bis zu 3 Monate in einem Aufnahmelager Pflicht. In den meisten Bundesländern geht es dann für weitere Monate oder auch Jahre in ein Lager. Im ersten Verfahrensjahr herrscht Arbeitsverbot. Danach kann eine Arbeitserlaubnis für einen konkreten Arbeitsplatz erteil werden, wenn es keinen Bevorrechtigten wie z.B. Deutsche oder EU-Ausländer dafür gibt.

Behördlicher Missbrauch: Sozialhilfe als Abschreckung
Sozialhilfe wird zur Zwangsunterstützung, die in Anspruch genommen werden muss. Die staatliche Unterstützung wird hier nicht zur Notversorgung für diejenigen, die nich tin der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Findet ein Asylsuchender nach einem Jahr trotz Nachrangigkeit Arbeit, dann lässt sich der Staat diese Zwangsunterstützung auch noch teuer bezahlen. So kostet ein Bett inkl. 4,5 qm individueller Nutzungsfläche in einem baden-württembergischen Lager beispiesweise mehr als 150 Euro pro Monat.

Reduzierung auf 20% unter dem Existenzminimum
Erstmalig wurden mit dem am 1.11.1993 neu eingeführten Asylbewerberleistungsgesetz Menschen nur aufgrund der Eigenschaft Flüchtlinge zu sein aus der Sozialhilfe ausgegrenzt. Nur noch eine Minimalversorgung ist seither für Flüchtlinge in Deutschland vorgesehen. Eckpunkte derAusgrenzung sind:

  • 20% weniger als Sozialhilfe
  • Vorrang von Sachleistungen bis auf einen Taschengeldbetrag von 40,90 Euro im Monat (Esspakete, Wertgutscheine, Lagershop etc.)
  • Minimale medizinische Versorgung nur in aktuen Fällen
  • Verpflichtung zu Arbeitseinsätzen für 1 Euro pro Stunde

Zunächst sollte die reduzierte Versorgung nur für die Dauer von 12 Monaten gelten. In den letzten 15 Jahren wurden die Instrumentarien aber verfeinert. Wem vorgeworfen wird, er sei nur der staatlichen Utnerstützung wegen gekommen oder würde die Ausreise mangels Mitwirkung selbst verzögern, der wird nicht nur dauerhaft auf Schmalkost gesetzt, ihm kann auch das Taschengeld gestrichen werden. ßber Sozialhilfe entscheiden die Sozialämter, was in der Praxis zu absurden Bescheiden führte. So wurde in Berlin Bürgerkriegsflüchtlingen reihenweise nur Unterkunft und Verpflegung gewährt. Ihnen wurde vorgeworfen, sie seien nur nach Deutschland gekommen, um Sozialleistungen zu erhalten, was angesichts von Bürgerkriegswirren mehr als zynisch ist.

Bürokratische Auswüchse in der Praxis
Seit Jahren wird die Abrechnungspraxis der Stad Celle bei Wertgutscheinen kritisiert. Hier werden den Asylsuchenden nämlich die Restbeträge beim Einkauf mit Wertgutscheinen bei den örtlichen Geschäften nicht ausbezahlt. Nach Aussagen einer Wal-Mart-Mitarbeiterin würden die Restbeträge der Stadt Celle gut geschrieben. Diese wiederum weiß auf Nachfrage ncihts von ihrem Glück. Wer sich hier auf Kosten der Flüchtlinge, die auf jeden Cent angewiesen sind, bereichert, bleibt unklar.

Landkreis fordert Ende einer diskriminierenden Praxis
Mittlerweile hat sich der Sozialausschuss des Landkreises Göttingen für die Abschaffung von Wertgutscheinen und die Auszahlung von Bargeld ausgesprochen: „Der Kreistag (lehnt) das Gutscheinsystem für Flüchtlinge ab“ und „forert die Verwaltung auf, den Vertrag zur Abrechnung von Sodexho Pass Wertgutscheinen zum nächstmöglichen Zeitpunkt mitdr Ziel einer künftigen Barauszahlung zu kündigen.“ Zur Begründung heißt es unter anderem, die Gutscheinregelung sei „diskriminierend“ und bedeute für die Betroffenen „Bevormundung, Demütigung und Stigmatisierung“.

Bleibt nur zu hoffen, dass diese Empfhelung zügig umgesetzt wird und dem Vorschlag der Stadtverwaltung Celle, das Problem mit einer Stückelung der Wertgutscheine in 1-Euro-Größe zu beheben, eine klare Absage erteilt wird.

Bundesgesetz wieder verschärft

Einige Bundesländer haben dem Prinzip der Sachleistung bereits den Rücken gekehrt. Allerdings ändert das nichts an der diskriminierenden Gesetzgebung. Im Gegenteil: Seit 15 Jahren wurde trotz Preissteigerung der zugrunde liegende Wert nicht erhöht. Der Zeitraum für die Versorgung unterhalb des Existenzminimums wurde aber auf mittlerweile 4 Jahre verlängert!

Quelle: FLUCHT-WEGE freihalten! Ein Kalender für das Jahr 2008, herausgegeben von Dankwart und Angelika von Loeper, von Loeper Literaturverlag, ISBN- 978-3-86059-528-2 Seiten 148-151.

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