Flüchtlingsrat fordert mehr Mut beim Spurwechsel

Erstmals soll für Asylsuchende die Möglichkeit geschaffen werden, einen Aufenthaltstitel zu Arbeitszwecken zu erhalten und das Asylverfahren zu beenden. Darüber hinaus sollen Auszubildende eine Aufenthaltserlaubnis statt einer Duldung erhalten. Der Übergang ist für Geflüchtete aber mit so vielen Auflagen und Bedingungen verbunden, dass nur wenige Geflüchtete von den neuen Regelungen profitieren können. Der Flüchtlingsrat fordert Nachbesserungen.

Am 23.06.2023 wurden Änderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) im Bundestag beschlossen. Der Bundesrat wird auf seiner Sitzung am 7. Juli über den Gesetzesantrag beraten und zudem darüber befinden, ob er Veränderungen in der Beschäftigungsverordnung und der Aufenthaltsverordnung zustimmt, die parallel zum FEG vom BMAS entworfen wurden. Für Geflüchtete in Deutschland ergeben sich drei relevante Änderungen:

1. Spurwechsel für Personen, die bereits im Asylverfahren sind

Begünstigt werden lediglich Menschen,

  • die bis zum 29. März 2023 einen Asylantrag gestellt haben,
  • sich noch im Asylverfahren befinden,
  • die über eine anerkannte Berufsausbildung oder über einen akademischen Abschluss verfügen und
  • über ein ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz oder Arbeitsplatzangebot verfügen.

Diese Regelung gilt jedoch erst frühestens ab dem 1. März 2024. Das führt in der Praxis dazu, dass viele Personen ausgeschlossen werden:

„Durch den langen Zeitraum bis zum Inkrafttreten werden viele Asylanträge, die vor dem 29. März 2023 gestellt wurden, bereits entschieden sein. Das verkleinert den Kreis der potentiell begünstigen Personen – der ohnehin aufgrund des Stichtags sehr gering ist – noch einmal. Wenn man ernsthaft möchte, dass viele qualifizierte Personen von der Regelung profitieren, muss man sie auf geduldete Personen ausweiten und den Stichtag streichen“, so Caroline Mohrs vom Flüchtlingsrat Niedersachsen.

„Im Einzelfall muss man genau schauen, ob es für Betroffene wirklich der beste Weg ist, den Asylantrag zurückzuziehen und somit die Chance auf einen Schutzstatus zu verlieren. Zwar spart man natürlich viel Zeit, aber dafür ist der Aufenthaltstitel immer an die Beschäftigung geknüpft. Wenn die Betroffenen die Beschäftigung verlieren, müssen sie innerhalb von sechs Monaten eine neue Arbeitsstelle finden“, fügt Abdullatif Barghasha vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hinzu.

Bei Betroffenen, die im Asylverfahren sehr schlechte Erfolgsaussichten haben, kann die neue Regelung durchaus ein sinnvoller Ausweg sein.

2. Aufenthaltserlaubnis für Personen, die bisher eine Ausbildungsduldung erhalten

Erfreulich ist, dass Menschen, die bisher nur eine Ausbildungsduldung erhalten haben, nun eine Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des neu hinzugefügten § 16g AufenthG erhalten. Diese Regelung ist stichtagsunabhängig.

„Die Aufenthaltserlaubnis bietet gegenüber der Duldung vielfache Vorteile. Sie ist unter anderem hilfreich, um früher eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, da die Ausbildungszeit berücksichtigt werden kann. Außerdem ist der Familiennachzug nicht mehr kategorisch ausgeschlossen.“, sagt Abdullatif Barghasha.

Wir sehen folgendes Problem: Laut Gesetzesentwurf muss der Lebensunterhalt gesichert sein, um den Titel zu erhalten. Gleichzeitig sind diese Personen von einer Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ausgeschlossen. Hier muss nachgebessert werden: Es muss geregelt werden, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG sowie der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) besteht, wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach §16g Aufenthaltsgesetz vorliegt, und dass eine Aufenthaltserlaubnis auf dieser Grundlage auch erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt ohne eine solche Förderung nicht gesichert ist.

3. Spurwechsel von Personen mit Schutzstatus

Da § 18a und § 18b AufenthG (qualifizierte Beschäftigung bei Ausbildung oder Studium) zu Anspruchsnormen werden, könnte ein Spurwechsel ermöglicht werden, auch wenn bereits ein Schutzstatus besteht. Dies kann beispielsweise für Personen hilfreich sein, die ihre Eltern oder Schwiegereltern nachziehen lassen möchten. Hintergrund ist, dass dies bei Fachkräften erleichtert wird. Die bisher bestehende Voraussetzung der „besonderen Härte“ würde – nach dem uns vorliegenden Entwurf – für Eltern und Schwiegereltern wegfallen. Diese Erleichterung endet jedoch bereits 31.12.2028.

Der Familiennachzug wurde für Fachkräfte noch in einem weiteren Punkt vereinfacht: Sie müssen nicht mehr ausreichend Wohnraum nachweisen. Nach unserer Erfahrung stellt dies bei dieser Personengruppe jedoch in der Regel kein Hinderungsgrund dar.

Auch für aus der Ukraine geflohene Drittstaatsangehörige könnten sich Aufenthaltsmöglichkeiten zu Erwerbszwecken ergeben, wenn sie als Fachkräfte arbeiten, ohne dass sie ein aufwendiges Visumsverfahren nachholen. Das wäre für die Betroffenen von Vorteil und sicher auch im Sinne der Wirtschaft, die so weitere Fachkräfte gewinnen kann. Allerdings müsste dann geregelt werden, dass der Aufenthalt der potentiell begünstigten Drittstaatsangehörigen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gesichert wird.

Insgesamt werden durch die Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zwar vereinzelt auch Möglichkeiten des Spurwechsels für Geflüchtete geschaffen, aber diese orientieren sich ausschließlich an den wirtschaftlichen Bedarfen und demographischen Interessen. Hingegen werden weitere im Koalitionsvertrag versprochenen grundlegenden Verbesserungen für Geflüchtete – wie die Abschaffung von Arbeitsverboten oder Verbesserungen beim Familiennachzug – auf die lange Bank geschoben.

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4 Gedanken zu „Flüchtlingsrat fordert mehr Mut beim Spurwechsel“

  1. Wir sollten das Gesetz begrüßen, dass Ausbildung 16g Aufenthalt mit sich bringt und damit denjenigen Sicherheit gibt, die zur Schule gehen und keine Aufenthaltserlaubnis haben. Aber die Frage ist, wie man mit der Ausbildungsvergütung eine Wohnung, Strom, Gas bezahlen und in der aktuellen Krise, die wir alle spüren, trotzdem von diesem Geld leben kann. Hinzu kommt auch, dass trotz der Empfehlung des Bundesrates, mit dem 19d-Aufenthalt den Erwerb einer Niederlassungserlaubnis zu erleichtern, nichts dagegen unternommen wurde. Das heißt wir die schon mit Ausbildungsduldung bereits bestanden haben und schon lange berufstätig sind, haben von dem neuen Gesetz keinen Nutzen. Ob wohl die in Koalitionsvertrag versprochen haben Erwerb eine Niederlassungserlaubnis nach 3 Jahren zu ermöglichen.Bis jetzt würde es nur für Fachkräfte ermöglicht und für alle andere nicht. https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0101-0200/137-1-23.pdf;jsessionid=99F292E5785017AD9480444E6A852C9D.2_cid349?__blob=publicationFile&v=2

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    • Hallo Mo,
      die Bundesregierung hat auf Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke zugesichert, dass „gesetzliche und/oder untergesetzliche Änderungen vorgenommen werden“ , um „negative Folgen“ bei der Umwandlung von einer Ausbildungsduldung zu einer Ausbildungsaufenthaltserlaubnis „abzuwenden“. Es wurde von verschiedenen Seiten auf den Fehler hingewiesen, dass die Lebensunterhaltssicherung verlangt wird. Es ist also zu erwarten, dass zum einen die Lebensunterhaltssicherung nicht mehr Voraussetzung bleiben wird, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16g AufenthG zu erhalten und dass auch ein BAföG-Anspruch für Personen mit einer AE nach § 16g in das BAföG aufgenommen wird. Berufsausbildungsbeihilfe während einer dualen Ausbildung ist ja bereits jetzt schon möglich, falls die Ausbildungsvergütung zu niedrig sein sollte.
      Zur Niederlassungserlaubnis mit einer AE nach § 19d: Meiner Ansicht nach, wird es möglich sein, aus der AE nach § 19d in eine AE nach § 18a zu wechseln, da man zukünftig Anspruch auf die AE nach § 18a hat und damit auch bei abgelehntem/zurück genommenen Asylantrag in den § 18a wechseln kann. Dann würden ja die zukünftigen kürzeren Fristen für eine Niederlassungserlaubnis gelten.
      gez.
      Sigmar Walbrecht

  2. Gerade mit HInblick auf die ehemals Geduldeten im Chancenaufenthalt habe ich große Angst vor der Aufenthaltserlaubnis für Ausbildung. Wenn das Gesetz so in Kraft tritt, wird es mehreren Menschen in meinem Projekt die Tür vor der Nase zuschlagen und sie in prekäre Beschäftigungsverhältnisse zwingen. Woher sollen Geduldete (besonders welche, die aus §60b AufenthaltsG kommen) bitte ihren Lebensunterhalt sichern? Ich hatte bei der Ampel auf etwas humanere Gesetzgebung gehofft, aber das hätte sich die Werte-Union nicht besser ausdenken können.

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    • Hallo Victor W.,
      grundsätzlich ist die Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung nach § 16g ein Fortschritt. Die Bundesregierung hat auf Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke zugesichert, dass „gesetzliche und/oder untergesetzliche Änderungen vorgenommen werden“ , um „um vom Gesetzgeber mutmaßlich nicht gewollte negative Folgen“ bei der Umwandlung von einer Ausbildungsduldung zu einer Ausbildungsaufenthaltserlaubnis „abzuwenden“. Es wurde von verschiedenen Seiten auf den Fehler hingewiesen, dass die Lebensunterhaltssicherung verlangt wird. Ich gehe daher davon aus, dass die Schwelle mit der Lebensunterhaltssicherung noch beseitigt wird.
      Die Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach dem Chancenaufenthaltsrecht § 104c hat ja nichts unmittelbar mit der Ausbildungsaufenthaltserlaubnis zu tun. Wer aus der AE nach § 104c kommt kann ja auch während einer Ausbildung in eine AE nach § 25a oder §25b wechseln (wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind) Da bei einer AE nach § 104c wie auch bei bei einer AE nach § 25b oder 25b Anspruch auf BAföG oder BAB besteht, sollte der Lebensunterhalt während der Ausbildung also ohnehin gesichert sein. Ich bin da also weniger skeptisch.
      gez.
      Sigmar Walbrecht

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