Mama, warum haben diese Leute kein richtiges Geld?

So fragte ein deutsches Kind an der Supermarktkasse in Eisenach seine Mutter, als es eine Asylsuchende mit ihren Kindern beim Einkaufen beobachtet. Ein sehr verletzendes Erlebnis für die Asylsuchende. „Die Leute gucken uns immer so komisch an, wenn wir einkaufen müssen.“Für viele Flüchtlinge in Deutschland ist dieses diskriminierende Erlebnis Alltag. Per Gesetz zu staatlicher Unterstützung verdonnert, erhalten sie aber bis zu 30% weniger Leistungen als Deutsche oder AusländerInnen mit verfestigtem Aufenthalt in Deutschland.

Das Asylbewerberleistungsgesetz beinhaltet eine weitere Reihe diskriminierender Maßnahmen: So ist Krankenhilfe nur im akuten Fall und bei Schmerzzuständen zu leisten. Chronisch Kranke erhalten nur sehr schwierig Unterstützung. Gemeinnützige Arbeit für die Aufrechterhaltung der Einrichtung mit einer Aufwandsentschädigung von 1,05 â?¬ pro Stunde kann verpflichtend werden. Im ßbrigen herrscht im ersten Verfahrensjahr Arbeitsverbot. Auch danach erhält, wer eine Arbeitsstelle findet, nur nachrangig eine Arbeitserlaubnis. Als erst, wenn es keine Deutschen, keine EU-Ausländer oder sonstigen bevorrechtigten Drittausländer für den Job gibt. Auch wer unter diesen Bedingungen eine Arbeit findet, kann sich seinen Wohnort noch lange nicht selbst aussuchen. Asylsuchende sind verpflichtet, an den zugewiesenen Orten Wohnsitz zu nehmen. Das heißt für viele Flüchtlingen Lager-Unterbringung auf engstem Raum auf Jahre hin. Ein verordnetes Leben also am Rande der Gesellschaft.

Was der deutsche Gesetzgeber für den notwendigen Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts hält, wird in Form von Sachleistungen gedeckt. Lediglich 40,90 â?¬ Taschengeld steht Erwachsenen an baren Mitteln pro Monat zur Verfügung – Kindern die Hälfte. Der Fantasie der Exekutive sind in der Ausführung der Sachleistung fast keine Grenzen gesetzt: mal werden Esspakete ausgeteilt, Warenkonten eröffnet, Chipkarten eingeführt, mancherorts gibt es eigene Lagerläden oder mobile Einheiten, die per LKW von Lager zu Lager fahren.

In Thüringen hat man sich für Gutscheine entschieden und diese auf den Cent genau ausdifferenziert. In der Praxis kann dies offensichtlich hilfreich sein, wie eine Supermarkt-Filiale im niedersächsischen Celle zeigt. Werden die Warengutscheine dort nämlich nicht auf den Cent aufgebraucht, gibt’s nichts zurück. „Systemtechnische Probleme“ hindern diesen Supermarkt offensichtlich an der Geldrückgabe. Flüchtlinge, die ohnehin fast nichts haben, verlieren auf diese Weise schnell mal ein paar Euro, wenn sie nicht punktgenau einkaufen.

Wie diskriminierend diese ganze Praxis ist, zeigt die Reaktion des kleinen Mädchens. Ihr fiel auf, dass es nicht normal ist, wenn man kein richtiges Geld hat. Es ist ja auch wirklich nicht einzusehen, warum Flüchtlingen nicht auch echte Euro an die Hand gegeben werden sollen! Haben sich diese doch schon in so vielen EU-Staaten bewährt …

Flüchtlingsnetzwerk Oldenburg

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1 Gedanke zu „Mama, warum haben diese Leute kein richtiges Geld?“

  1. Hallo – der Artikel hat mich gerade dazu veranlasst die Stadt Brilon anzuschreiben.

    Vielleicht könnten auch andere, die solche Situationen beobachtet haben, diese Städte hier eintragen.

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    seid Jahren mache ich in Ihrem schönen Ort mit meiner Familie Urlaub. Mir ist aufgefallen, dass bei Ihnen Asylbewerber mit Gutscheinen einkaufen. Dies hat mich schon immer gestört, da ich diese Maßnahmen für entwürdigend halte. Ein Artikel auf der Seite des Niedersächsischen Flüchtlingsrates brachte mich gerade dazu Sie anzuschreiben.
    Ich wäre dankbar, wenn Sie mir mitteilen könnten, ob diese Praxis immer noch bei Ihnen gilt. Ich werde in absehbarer Zeit wieder nach Brilon kommen und würde mich freuen, wenn ich nicht wieder beim Einkaufen solche Situationen beobachten müsste.

    Mit freundlichem Gruß
    Elisabeth Wiengarten
    http://www.abgeschoben-waf.de
    http://www.srilanka-waf.blogspot.com

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