Der Spiegel hat neue Recherchen zur Gewalt der kroatischen Grenzpolizei gegen Menschen an der Flucht veröffentlicht. Erstmals konnte ein Gewaltexzess an der kroatisch-bosnischen Grenze direkt auf Video aufgenommen und das Material ausgewertet werden.
Auf den Bildern, die @derspiegel verifizieren konnte, sind durchnässte Migranten zu sehen. Ein Pakistaner wimmert vor Schmerzen. Die Männer wurden nach eigener Aussage zuvor von den vermummten kroatischen Polizisten zusammengeschlagen, über den Grenzfluss gezwungen. pic.twitter.com/rYJLoBP9K3
— Steffen Lüdke (@stluedke) November 18, 2020
Border Violence Monitoring Network und No Name Kitchen, die seit Jahren entlang der Balkanroute im Einsatz sind und Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, haben zusätzlich eine ausführliche Rekonstruktion des Pushbacks veröffentlicht:
Seit Jahren dokumentieren Menschenrechtsorganisationen das illegale Zurückdrängen von Schutzsuchenden aus Kroatien nach Bosnien (Pushbacks) und die dabei eingesetzte Gewalt der kroatischen Grenzpolizei. Geflüchtete selbst berichten immer wieder davon, wie sie geschlagen und ausgeraubt und ihre Habseligkeiten zerstört werden. Anschließend werden sie – auch das ist illegal – über abgelegene Pfade nach Bosnien zurückgeschoben. Pro Asyl fordert angesichts der veröffentlichten Recherchen erneut ein unabhängiges Monitoring an der EU-Grenze.
Dieser systematische Bruch europäischen und internationalen Rechts entlang der Balkanroute hat bislang keinen Aufschrei ausgelöst, EU-Kommission und Mitgliedsstaaten halten sich mit Kritik zurück, handelt doch Kroatien ebenso wie Griechenland in ihrem Sinne und setzt auf massive Abschottung an den Grenzen, damit es möglichst wenige Schutzsuchende in die EU schaffen. Die massiven Menschenrechtsverletzungen werden dabei hingenommen. Kroatien wird sogar gelobt und unterstützt – wie etwa Anfang 2020, als das Bundesinnenministerium das Land mit zehn Wärmebildkameras „beim Grenzschutz unterstützt“ hat. Immerhin hatte der EU-Ombudsmann bereits in der vergangenen Woche eine Untersuchung der kroatischen Praktiken an der Grenze gefordert.
Derzeit leben etwa 10.000 Schutzsuchende in Bosnien. Ein Teil der Menschen kommt in kaum tauglichen Camps unter, von denen die meisten von IOM geleitet werden. Mehrere tausend Menschen müssen aber ohne jede behördliche Unterstützung in verlassenen Häusern und Fabriken oder in Zelten im Wald ausharren.
28-year-old Anas had to leave Syria 5 years ago, leaving behind his life as a computer engineer. Anas and thousands of other young people have suffered unimaginable horrors, from seeing how war has devastated their cities to suffering the loss of their relatives. @jogiralt pic.twitter.com/i9zsGldvx2
— NoNameKitchen (@NoNameKitchen1) November 15, 2020
Medienberichte
»Sie haben wie blind auf mich eingeschlagen, in: Der Spiegel vom 18. November 2020
EU-Ombudsmann verlangt Überwachung kroatischer Grenzpolizei, in: Der Standard vom 13. November 2020
Hintergrund
Sackgasse Bosnien: Erneute Eskalation auf der Balkanroute, Meldung vom 8. Oktober 2020
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