Bericht über einen geduldeten irakischen Flüchtling in Northeim

Nachfolgend ein Bericht aus der HAZ vom 09.02.2009 zur Situation eines geduldeten Flüchtlings in Northeim und zur Situation von 8500 nur geduldeten irakischen Flüchtlingen in Deutschland.

Geduldet in einem ungeliebten Land
Von Heinrich Thies “Northeim.„ Ghassan El-Zuhairy lebt buchstäblich aus dem Koffer. Die spärlich möblierte Wohnung in der Northeimer Innenstadt vermittelt den Eindruck, als sei der 30-jährige Iraker nur auf der Durchreise. Es ist kalt in dem früheren Kiosk, von den drei kleinen Räumen ist nur einer beheizbar. Dass es an Wärme fehlt, hat aber auch andere Gründe.

Denn der eher zierliche Mann aus dem Zweistromland hat wenig Grund, sich in Northeim heimisch zu fühlen. Die Ausländerbehörde des Landkreises erinnert ihn immer wieder daran, dass er in Deutschland nur geduldet ist und eigentlich zur Ausreise verpflichtet wäre. Aber wohin? Eigentlich war Ghassan El-Zuhairy auf dem Weg zu seiner Verlobten in Schweden, als er im September 2002 in Dortmund von der Polizei aus dem Zug geholt wurde. „Ich wollte meiner Liebe folgen“, sagt er. Doch das europäische Asylrecht zwang ihn, in Deutschland zu bleiben “ da, wo nach der Festnahme des illegal Eingereisten automatisch ein Asylverfahren eröffnet und mit einer Ablehnung abgeschlossen worden war: in Niedersachsen. Das EU-Flüchtlingsabkommen „Dublin II“ nämlich sieht vor, dass Migranten innerhalb der EU dahin zurückgeschickt werden, wo sie das erste Mal registriert wurden.

Für El-Zuhairy hatte dies fatale Folgen. Viermal versuchte er nach Schweden zu gelangen “ zweimal wurde er gleich hinter der dänischen Grenze aufgegriffen, einmal kam er bis Stockholm und ein weiteres Mal musste er seine Reise wegen einer Kniegelenksverletzung in Hamburg abbrechen. In allen Fällen führte sein Weg zurück nach Uslar im Kreis Northeim “ das Städtchen, das ihn von den deutschen Ausländerbehörden als Wohnort zugewiesen worden war. Damit ergab sich die paradoxe Situation, dass er gezwungen wurde, in einem Land zu leben, in das er eigentlich gar nicht wollte.

Die einzige Lösung wäre die Rückkehr in den Irak. Dies aber ist für El-Zuhairy undenkbar. „Wo soll ich da hin? Von meiner Familie ist niemand mehr da, die sind getötet, entführt, vertrieben, geflüchtet.“ El-Zuhairys Onkel nämlich stand als General in den Diensten Saddam Husseins, und wegen dieser Nähe zum gestürzten Regime war die komplette Familie im Irak ihres Lebens nicht mehr sicher. Dabei musste Ghassan El-Zuhairy vor sieben Jahren flüchten, weil er sich als Student einer verfolgten Oppositionspartei angeschlossen hatte. Sein Onkel half ihm und seiner Verlobten Zikra damals mit ein paar tausend Dollar aus dem Land.

„Wir wollten beide ein neues Leben in Schweden beginnen“, sagt der Iraker in bestem Deutsch. „Aber nur meine Verlobte ist angekommen.“ Deren Mutter löste die Verlobung im Frühjahr 2006 schließlich auf. Dass es ihm nicht gelungen war, seiner Liebe zu folgen, hatte sie als sein persönliches Versagen gewertet. „Ich denke, du willst nicht mehr“, schrieb ihm auch Zikra.

Kurze Zeit später heiratete El-Zuhairy in seiner Verzweiflung eine 20 Jahre ältere Deutsche. Doch schon gleich nach der Trauung musste er sich wegen einer Depression und Panikattacken in psychiatrische Behandlung begeben, und die Ausländerbehörde des Landkreises Northeim wertete die Verbindung als Scheinehe und verweigerte dem Iraker weiterhin die Aufenthaltserlaubnis. Schon nach einem Dreivierteljahr wurde die Ehe so wieder geschieden. „In Wirklichkeit liebe ich immer noch Zikra“, sagt El-Zuhairy. „Das ist wie eine offene Wunde, die nie verheilt.“

Bei all den Enttäuschungen gab es aber auch so etwas wie einen Lichtblick. El-Zuhairy nämlich fand Arbeit in einem Karosseriebaubetrieb. Sein Chef schätzte den Iraker, der sich selbst Deutsch beigebracht und den Führerschein gemacht hatte, derart, dass er ihm eine feste Stelle anbot. Voraussetzung allerdings war, dass El-Zuhairy auch für Montageeinsätze in anderen Bundesländern bereit gestanden hätte. Dies aber ließ die Ausländerbehörde nicht zu. Denn zum Status der Duldung gehört die sogenannte Residenzpflicht, und die erlaubt es den Geduldeten, nur im Ausnahmefall in andere Bundesländer zu reisen.

So verlor El-Zuhairy seine Arbeit schließlich ganz und war gezwungen, wieder von der Sozialhilfe zu leben. Als er dann trotz seiner mustergültigen Integration von der Ausländerbehörde routinemäßig daran erinnert wurde, dass er Deutschland eigentlich zu verlassen habe, nahm er die Aufforderung wörtlich und machte sich auf den Weg nach Kanada. Aber schon in Brüssel wurde er geschnappt “ und wieder zurück in den Kreis Northeim geschickt. Immerhin weigerte er sich diesmal mit Erfolg, wieder in Uslar Quartier zu beziehen. Er lebte drei Monate in einem Obdachlosenquartier in Northeim, bis er schließlich einen leerstehenden Kiosk bezog. Wenn er das Geld zusammenbekommt, könnte er schon bald den zweiten Teil der Lkw-Führerscheinprüfung machen. Doch wer stellt ihn als Lkw-Fahrer ein, wenn er Niedersachsen nicht verlassen darf?

8500 Iraker sind nur „geduldet“
Ghassan El-Zuhairy ist einer von rund 72 000 Irakern, die derzeit in Deutschland leben “ etwa 7000 davon in Niedersachsen. Mit Hinweis auf die Entmachtung Saddam Husseins wurde seit 2003 mehr als 20 000 irakischen Flüchtlingen der Flüchtlingsstatus aberkannt. Weil sie zum Teil schon lange in Deutschland gelebt hatten, durften viele dennoch ihre Aufenthaltserlaubnis behalten, andere wurden sogar eingebürgert. Rund 8500 Iraker dagegen sollen in ihr Heimatland zurückkehren. Nur mit Rücksicht auf die fortdauernde Bürgerkriegssituation im Irak werden sie „geduldet“. Doch dieser Status verbietet es ihnen, ihr jeweiliges Bundesland zu verlassen und sich ungehindert um Arbeit zu bemühen.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert diese Praxis “ auch mit Blick auf die „Resettlement-Flüchtlinge“, die zur Zeit in Syrien und Jordanien leben, und nun im Zuge eines EU-Programms ganz offiziell nach Deutschland geholt werden sollen. Gedacht ist an die Aufnahme von 2500 Irakern, die laut Bundesregierung „besonders schutzbedürftig“ und gleichzeitig integrationsfähig sind. Der Flüchtlingsrat sieht darin eine Ungleichbehandlung. „Es macht keinen Sinn, dass man die Iraker aus Jordanien und Syrien an der Warteschlange der geduldeten Flüchtlinge vorbeischleust, die hier jahrelang leben“, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat. „Besser wäre es, die Geduldeten nicht an der Integration zu hindern und ihnen eine Aufenthaltserlaubnis ohne Residenzpflicht zu ermöglichen.“ Th.

09.02.2009 / HAZ Seite 8

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4 Gedanken zu „Bericht über einen geduldeten irakischen Flüchtling in Northeim“

  1. wegendem,man muss oder soll mit herr schäuble darüber zu sprechen,ich verstehe ihn nicht,dass er nur auf die minderheit steht,obwohl wir aus einem gleiches land sind.und wenn ich nicht alles in meinem land verloren habe,hätte ich schon längst in dem heimat zurückgekehrte.

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  2. ich moechte eine frage an herr schäuble zu stellen,solange der rückkher aus rechtlichen und faktischen gründen auf absehbare zeit nicht möglich ist,wieso möchten sie uns hier langsam in die hölle schmoren,wir sind hier ohne zukunft ohne arbeit ohne eine echte intigration,wieso und bis wann bleiben wir so?ist die lage in iran oder in afghanistan ruhiger als wie in bagdad oder wie,jemand antwortet mir bitte.

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