Rassismus bei der Bundespolizei – Flüchtlingsrat fordert Konsequenzen

Dieser Beitrag ist bereits älter als vier Jahre. Eventuell ist der Inhalt nicht mehr aktuell.

Der beschuldigte Polizist der Bundespolizei, der mindestens zwei Flüchtlinge, die am Bahnhof aufgegriffen und in Gewahrsam genommen worden waren, in der Arrestzelle erniedrigt und misshandelt haben soll (siehe Bericht von gestern), brüstete sich solcher Taten bereits im März 2014 gegenüber Kolleg:innen – es hat also mehr als ein Jahr gedauert, bis die Taten zur Anzeige kamen. Die Schilderung von Zeugen, die mit dem NDR Kontakt aufnahmen, legen nahe, dass mehrere Polizisten nicht nur von den Taten wussten und diese billigten, sondern teilweise auch selbst brutal gegen Festgenommene vorgingen. Nach Aussagen eines Beamten habe es „öfter lautes Geschrei in den Gewahrsamszellen“ gegeben. Dann habe man nicht nachgeschaut, sondern „einfach die Tür geschlossen, damit nichts nach draußen drang.“ Der Dienstgruppenleiter sei derjenige gewesen, der die Tür zumachte.

Die erste Konsequenz muss natürlich die strafrechtlichen Verfolgung der Täter und der Mitwisser sein. Darüber hinaus bedarf es jedoch weiterer Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus bei der Polizei. Zu fordern sind u.a. eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Polizisten sowie eine grundsätzliche Abkehr vom Konzept der „ereignisunabhängigen Kontrollen“. Nachfolgend dokumentieren wir ein Interview mit dem Flüchtlingsrat aus der gestrigen Ausgabe des Weser-Kuriers:

„Rassismus im Ansatz bekämpfen“

19.05.2015

Herr Weber, haben Sie zuvor von solch brutalem Vorgehen von Polizisten gegenüber Flüchtlingen gehört? Etwa im Zusammenhang mit Abschiebungen?

Kai Weber: Abschiebungen werden von der Landespolizei durchgeführt. Die Bundespolizei kontrolliert neuralgische Punkte wie Bahnhöfe und Autobahnen, nimmt Leute fest, wenn sie den Verdacht haben, dass diese keinen Pass, kein Aufenthaltsrecht haben. Hier finden Kontrollen statt, rein auf der Grundlage von Äußerlichkeiten wie der Hautfarbe. Das äußere Erscheinungsbild aber darf nicht Anlass sein für polizeiliches Einschreiten. Das haben Gerichte wiederholt festgestellt.

Gab es in der Vergangenheit Misshandlungen durch die Bundespolizei?

Es gab immer wieder Berichte von Dritten über Misshandlungen durch die Bundespolizei, auch in Hannover. Wir haben das nie aufklären können. Was wir haben, ist ein 15 Jahre alter Bericht eines Mannes, der von der Bundespolizei im Hannoverschen Hauptbahnhof verprügelt worden sein soll, weil seine Fahrkarte abgelaufen war. Seither haben wir hier keine dokumentierten Fälle von Misshandlungsvorwürfen gegen die Bundespolizei. Das Ausmaß und die Brutalität der neuen Vorwürfe aber haben eine ganz andere Qualität, das hat uns sprachlos gemacht, eine gezielte Form der Demütigung, die zu Recht als Folter beschrieben wird. Das sind Fälle, die unter keinen Umständen akzeptiert werden können. Diese Form von Exzessen muss systematisch untersucht, strafrechtlich verfolgt und sanktioniert werden.

Sie fordern seit Langem eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Warum?

Die Polizei muss kontrollierbar sein. Der Staat sollte ein eigenes Interesse an der Identifikation der Beamten haben, um eine systematische Kontrolle zu ermöglichen.

Glauben Sie, dass es sich um Einzelfälle handelt?

Die nun bekannt gewordenen Fälle lassen auf Mentalitätszustände innerhalb der Bundespolizei schließen, die erschreckend sind. Den Berichten zufolge soll der Täter sich seiner Taten auch noch gerühmt haben, indem er Bilder und Berichte über Misshandlungen herumgeschickt haben soll, ohne dass beteiligte Kollegen oder die Dienstaufsicht eingeschritten wären. Insofern glaube ich nicht, dass es sich um Einzelfälle handelt.

Gibt es Ihrer Meinung nach rassistische Tendenzen innerhalb der Polizei?

Es gibt innerhalb der Polizei – wie in anderen Berufen auch – Personen mit einem rassistischen Weltbild. Wichtig ist nicht zu sagen, dass Polizisten tendenziell rassistisch sind, sondern dass Rassismus auch bei der Bundespolizei im Ansatz bekämpft werden muss.

Wie lassen sich derartige Übergriffe in Zukunft verhindern?

Die Polizei muss sich öffnen und als Dienstleister verhalten gegenüber denen, die sie kontrolliert. Es braucht Seminare und Programme, die Polizisten sensibler machen für die Nöte und Bedürfnisse der Betroffenen. Es bedarf eines systematischen Ausschlusses von ereignisunabhängigen Kontrollen. Dass diese rechtswidrig sind, wissen wir. Dass diese faktisch immer wieder vorkommen, wissen wir auch. Hier bedarf es eines Umdenkens innerhalb der Polizei und einer Neuorganisation dieser Kontrollen. Die Polizei muss sich gegen rassistische Tendenzen wappnen.

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!