Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Peine

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kessler,

wird in Peine die berechtigte Kritik von Asylbewerbern an desolaten Zuständen in der Gemeinschaftsunterkunft Lehmkuhlenweg mit Repressalien beantwortet?

Einen merkwürdigen Umgang pflegt die Stadt Peine mit der Kritik von Flüchtlingen in der stadteigenen Gemeinschaftsunterkunft „Am Lehmkuhlenweg“. Ende des Jahres 2012 schrieben 37 Flüchtlinge an den Flüchtlingsrat und baten um Unterstützung. Sie protestieren gegen die Absicht der Stadt Peine, einen für sie zuständigen Sachbearbeiter als Betreuer von der Unterkunft abzuziehen. In weiteren Gesprächen kritisierten sie,

  •  dass Stadtbedienstete ohne Anzuklopfen ihre Zimmer aufsuchten, egal, ob sich jemand in dem Raum aufhalte oder nicht. Es fehle ihnen somit das Gefühl eines geschützten Raums, einer Privatsphäre,
  • dass Stadtbedienstete willkürliche und rechtswidrige Sanktionen gegen Flüchtlinge ergreifen würden, die sich Anordnungen widersetzten. In einem Fall sei beispielsweise einfach der Strom abgeschaltet worden, während sich die Person rasierte,
  • dass für 70 Flüchtlinge nur zwei Waschmaschinen zur Verfügung stünden, die nur zu bestimmten Zeiten benutzt werden dürften,
  • dass Reparaturen oft erst spät oder gar nicht vorgenommen würden,
  • dass Briefe an Bewohner/innen nur zwischen 08:00 und 10:00 Uhr abgeholt werden könnten.

Auch nach Intervention des Flüchtlingsrates zugunsten der Flüchtlinge wurden bis dato keine Verbesserungen durchgeführt. Sozialdezernent Seffer erklärte nur, er lasse die Kritik „unkommentiert“, sie orientiere sich „dann doch mehr an Dichtung als an der Wahrheit“. Als der Flüchtlingsrat sich darüber irritiert zeigte und monierte, dies sei doch wohl kein angemessener Umgang mit Kritik, erklärte Seffer: „Wenn Sie glauben, damit Eindruck machen zu können, so sind Sie auf dem Holzweg.“

In der Folgezeit gerieten dann die Beschwerdeführer, die Herren B. und C., in den Fokus der Stadt Peine. den beiden am Braunschweiger Staatstheater engagierten Flüchtlingen wurde vorgeworfen, sich nur selten in der Unterkunft aufzuhalten und sich nicht ordnungsgemäß zu verhalten. Daher sei das Öffnen ihrer Zimmer schon aus Fürsorgegründen angezeigt gewesen. Frau Hatzer, Regisseurin am Staatstheater in Braunschweig, hat da einen ganz anderen Eindruck. Sie kennt die beiden Flüchtlinge C. und B. aus gemeinsamen Inszenierungen und verweist darauf, dass beide über Telefon und mail jederzeit erreichbar sind. In einer Stellungnahme schreibt sie über die Flüchtlinge: „Sie verbringen sowohl für die Proben zu dieser Produktion seit Januar 2013 viel Zeit im Staatstheater als auch für die bereits laufende Produktion „Projekt: illegal!“, bei der sie ebenfalls als Schauspieler mit von der Partie sind. Tourenpläne und Probenpläne können wir gerne schicken, wenn das zur Aufklärung der Vorwürfe seitens der Stadt Peine führen würde. Mit ihrem Engagement tragen beide erheblich zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen bei und auch zur Aufklärung gegenüber der juristischen, sachlichen, aber auch emotionalen Lage von Flüchtlingen in Deutschland. Die Beschreibung der beiden Herren durch die Mitarbeiter der Stadt Peine deckt sich nicht im mindesten mit unseren Erfahrungen, was Verlässlichkeit, Kommunikationsverhalten, Integrität und Seriosität – auch im Falle von Meinungsverschiedenheiten – angeht.“

Ungeachtet aller Kritik hat die Stadt Peine die beiden Flüchtlinge nun aus ihren Zimmern am Lehmkuhlenweg 31 rausgeworfen und sie in die Unterkunft am Lehmkuhlenweg 29 verwiesen, was für beide eine absolute Verschlechterung ihrer Wohnsituation bedeutet. Als offizielle Begründung wurde angegeben, es habe sich um eine „Fehlbelegung“ gehandelt, da der besser ausgestattete Lehmkuhlenweg 31 (die sog. „Kobbe-Stiftung“) nur für deutsche Obdachlose vorgesehen sei. Abgesehen von dieser fragwürdigen Besserstellung deutscher Wohnungssuchender kann diese Begründung auch deshalb nicht überzeugen, weil in der Vergangenheit immer wieder auch andere Flüchtlinge im Lehmkuhlenweg 31 untergebracht wurden.

Eine Begehung der für die Flüchtlinge B. und C. vorgesehenen neuen Unterkünfte führte zu der Erkenntnis, dass sich die Unterkünfte im Lehmkuhlenweg 29 in einem verheerenden Zustand befinden (s. anliegender Bericht ) Der Autor des Berichts ist im Hauptberuf Bauamtsleiter in einer niedersächsischen Kommune und als solcher recht geeignet, schlichte Verhältnisse von ungenügenden zu unterscheiden.

Der Flüchtlingsrat interpretiert die fragwürdige Reaktion der Stadt Peine auf die berechtigte Kritik der Flüchtlinge als Abstrafung und verurteilt derartige Repressalien. Die uns vorliegenden Fotos der Unterkünfte der Betroffenen stellen wir den Verantwortlichen im Rathaus der Stadt Peine gern zur Verfügung, damit diese sich von der Berechtigung der Kritik überzeugen können. Noch besser wäre es allerdings, eine Begehung durchzuführen, um sich vor Ort selbst vom Zustand der Verwahrlosung und Verschmutzung der Unterkunft zu überzeugen. Anzuraten wäre es an dieser Stelle, bei dieser Gelegenheit auch Mitarbeiter des Gesundheitamtes hinzuzuziehen.

gez. Kai Weber und Wolfgang Engmann

Bericht über die Besichtigung einer Asylbewerberunterkunft in Peine, Lehmkuhlenweg 29

Henning Glaser

Am Montag, den 04.März 2013 habe ich auf Wunsch der Herren Jean Coulibaly und Doumbia Brahima, in deren Beisein, die ihnen zugewiesene Asylbewerberunterkunft in Peine, Lehmkuhlenweg 29 in Augenschein genommen.

Beide Herren gaben an, dass sie zuvor in Räumen der Kobbestiftung auf dem selben Grundstück unter gebracht waren. Ihnen sei keine Gelegenheit gegeben worden die neuen Räume vor dem Bezug zu säubern.

Die mir gezeigte Containeranlage besteht aus vier Wohnräumen, einer Gemeinschaftsküche, einer Gemeinschaftstoilette, einem Gemeinschaftsduschbad und einem Flur der diese Räume erschließt.

Eindrücke und Mängel:

  1. Vor der Eingangstür der Containeranlage liegt ein metallener Fußabtreterost. Die Stege dieses Rostes sind teilweise zerstört. Der Rostaußerdem verbogen und liegt nicht mehr eben in der für ihn geschaffenen Aussparung im Boden. Es besteht Stolper- und Verletzungsgefahr.
  2. Im Flur sind zwei Deckenleuchten angebracht. In beiden Leuchten fehlen die Leuchtmittel, die Glasabdeckungen sind nicht mehr vorhanden. Der Flur ist unrein.
  3. Die Küche befindet sich in einem ekelerregenden Verwahrlosungszustand. Eine Benutzung für die Zubereitung von Speisen ist in diesem Zustand nicht zumutbar.
  4. Die Griffe der Fensterflügel sind abgebrochen, die Flügel lassen sich nicht mehr öffnen. Eine Belüftung der Küche wäre bei einer Benutzung nicht möglich.
  5. Der Elektroherd ist im vorgefundenen Zustand für die Zubereitung von Speisen nicht benutzbar. Ob er überhaupt funktionsfähig ist habe ich wegen der ekelerregenden Anhaftungen nicht überprüft. Der Backofen stand offen, in der Bratenpfanne war eine undefinierbare ekeleregende Flüssigkeit vorhanden.
  6. Die Spüle und die Arbeitsflächen sind verschmutzt.
  7. Die Fliesen sind teilweise von der Wand abgefallen.
  8. Der Fußboden im Flur ist teilweise durch rohe Tischlerplatten ersetzt. Eine hygienische Reinigung dieser Platten ist nicht möglich. Die Platten sind ohne bündigen Anschluß an die vorhandenen Bodenplattenverlegt worden, so dass mehrere Zentimeter breite Lücken entstanden sind in denen sich Schutz gesammelt hat.
  9. Der Toilettenraum befindet sich insgesamt in einem unhygienischen Zustand, er stinkt. Die Fliesen sind teilweise von der Wand gefallen. Aufgrund des verwahrlosten Gesamtzustandes ist eine hygienische Reinigung des Raumes und der Sanitärobjekte ausgeschlossen.
  10. Das Duschbad befindet sich insgesamt in einem unhygienischen Zustand. Die Fliesen sind teilweise von der Wand gefallen, ein anderer Teil platzt ab. Aufgrund des verwahrlosten Gesamtzustandes ist eine hygienische Reinigung des Raumes und der Sanitärobjekte ausgeschlossen.
  11. Die Wohnräume sind den Herren Coulibaly und Brahima ungereinigt zugewiesen worden. Gelegenheit zur Reinigung vor Bezug wurde ihnen nach eigener Aussage nicht gegeben.
  12. Die Innenseiten der Jalousienlamellen und die Innenleibungen der Fenster sind in beiden Wohnräumen verdreckt.
  13. Die Heizkörper sind teilweise so stark verrostet, dass eine hygienische Reinigung nicht mehr möglich ist.
  14. Elektrische Anschlüsse sind teilweise zerstört, so dass bei Benutzung Gefahr für Leib und leben besteht.
  15. Die Fernsehanschlussdose im Raum des Herrn Coulibaly ist zerstört.
  16. Im Raum des Herrn Brahima ist das Fernsehanschlusskabel zwischen Anschlussdose und Deckendurchführung abgeschnitten.
  17. Die Lüftungsanlagen in beiden Wohnräumen sind verdreckt.
  18. Im Wohnraum des Herrn Coulibaly fehlen die Abdeckungen der Deckenleuchten, ein Leuchtmittel ist defekt.
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2 Gedanken zu „Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Peine“

  1. Hier muss man sich doch die Frage stellen, wer denn in den Übergansheim wohnt. Die Mitarbeiter der Stadt Peine wohl nicht. Wer verdreckt und beschädigt denn die Unterkünfte. Das sind doch offentsichtlich die Bewohner oder ?
    Ich halte meine Wohnung auch sauber und mache nichts kaputt. Hier sollte man an die Asylberwerber herantreten, das sie doch verantwortlich für ihre Zimmer sind und nicht die Mitarbeiter der Stadt. Man könnte noch so vieles anführen, aber letztendlich muss man hier nicht so einfach und billig argumentieren als wären es die Mitarbeiter der Stadt !!.

    Antworten
    • @ Oomen,
      es hat niemand gefordert, dass die Wohnungen von externen Reinigungskräften zu säubern seien. Natürlich können, wollen und sollen Flüchtlinge selbst für die Reinigung ihrer Zimmer sorgen. Im konkreten Fall wurden aber Flüchtlinge aus Wohnungen, die gut in Schuss gehalten waren, ausquartiert und angewiesen, in Zimmer umzuziehen, die verdreckt und heruntergekommen waren. Ihnen wurde nicht einmal die Gelegenheit gegeben, diese zuvor zu reinigen! Es ist daher zu vermuten, dass die Räumlichkeiten vorher nicht einmal inspiziert worden waren. Offenkundig trug diese Zwangsumquartierung den Charakter einer Strafmaßnahme, nachdem die beiden Flüchtlinge sich zuvor über die Stadt kritisch geäußert hatten. Das haben wir kritisiert, weil diese Reaktion ein fatales Signal auch an die übrigen Flüchtlinge ausgesandt hat: Wenn ihr den Mund aufmacht, bekommt ihr Ärger. So jedenfalls ist das von den Flüchtlingen verstanden worden.

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