Proteste im Landkreis Cuxhaven – Forderungen nach Rückkehr der Familie Meta

Im Landkreis Cuxhaven rumort es: Die Samtgemeinde Hadeln steht Kopf und protestiert gemeinsam mit dem AK Asyl und vielen weiteren Verbündeten gegen die Abschiebung der Familie Meta (siehe Cuxhavener Nachrichten vom 17-18.12.2011, Nordelbische Zeitung 12.01.2012, Nordelbische Zeitung vom 18.01.2012) nachfolgend dokumentieren wir die Begründung eines Resolutionsentwurfs für den Samtgemeinderat Land Hadeln zum Fall der am 7. Dezember 2011 aus dem Landkreis Cuxhaven abgeschobenen Roma-Familie Meta:

Der Samtgemeinderat Land Hadeln möge beschliessen:

1. Die Samtgemeinde Land Hadeln bittet den Landkreis Cuxhaven, die Landesregierung und die Bundesregierung, die bisherige Abschiebepraxis bei Roma und Ashkali zu überprüfen.

2. Die zum Jahresende 2011 ausgelaufene Bleiberechtsregelung bezogen auf einen festen Stichtag sollte um eine fortlaufende Regelung ergänzt werden, die ab einer gewissen Aufenthaltsdauer den Flüchtlingen die Möglichkeit auf ein Bleiberecht gibt. Soziale und humanitäre Gesichtspunkte müssten im Rahmen einer Sozialklausel insbesondere bei kranken und traumatisierten Menschen berücksichtigt werden; Familien mit schulpflichtigen Kindern muss die Chance gegeben werden, die Kinder ihre Ausbildungen abschliessen zu lassen.

3. Familien dürfen nicht auseinandergerissen werden. Abschiebungstermine müssen vorher angekündigt werden, um den betroffenen Gelegenheit zu geben, ihre Sachen zu packen und sich von ihren Freundinnen und Freunden zu verabschieden.

4. Aufgrund der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands muss für langjährig hier lebende Roma-Flüchtlinge ein sicherer Aufenthalt ermöglicht werden.

5. Der Samtgemeinde Rat Land Hadeln bittet die Landesregierung die Situation der Familie Meta erneut zu prüfen und unter Berücksichtigung des etwa 10-jährigen Aufenthalts sowie der erbrachten Integrationsleistungen – wie im Falle der Familie Nguyen – der Wiedereinreise nach § 22 AufenthG zuzustimmen.

Begründung:

Mit Bestürzung mussten wir erfahren, dass in der Nacht auf den 7. Dezember 2011 eine gut integrierte Familie aus dem Kosovo in einer buchstäblichen „Nacht und Nebel-Aktion“ aus ihrer Wohnung gerissen und abgeschoben wurde. Eine Familie mit 6 Kindern, das jüngste nur 8 Jahre alt, erlebte einen Albtraum – gleich einer Entführung -, der in einer fremden und chancenlosen Umgebung eine harte, reale Fortsetzung nimmt.

Im Jahr 2001 kam die Familie Meta auf ihrer Flucht vor nationalistischer und rassistischer Unterdrückung in die Bundesrepublik Deutschland. Das Ehepaar Meta hatte damals fünf Kinder im Alter von ein bis neun Jahren. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, denn die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, die systematisch diskriminiert wird, reicht meist nicht für eine Asylanerkennung. Auch der Versuch, für das jüngste, in Deutschland geborene Kind eine asylrelevante Gefährdung im Fall einer Abschiebung anzuerkennen, blieb erfolglos.

In den Jahren des unsicheren Aufenthalts, trotz der nervenzehrenden Ungewissheit, versuchte die Familie sich in Deutschland einzuleben. Da Frau und Herr Meta keinen Anspruch auf einen Sprach- oder Integrationskurs hatten, blieb ihnen die deutsche Sprache lange fremd. Herr Meta übernahm den Hauptteil der Außenkontakte und machte durch die täglichen Kontakte deutliche Fortschritte im Verstehen und Sprechen.

Die schwachen Deutsch-Kenntnisse erschwerten Herrn Meta eine Arbeitsaufnahme. Außer wenigen, kurzen Beschäftigungen, gelang es ihm nicht, eine längerfristige Anstellung zu bekommen. Als hohe Hürde wirkte sich immer wieder die ständig neu zu beantragende drei-monatige Duldung aus, die erfahrungsgemäß fast alle Arbeitgeber von einer Einstellung abhält.

Die Kinder sprachen bei Schuleintritt meist noch sehr wenig Deutsch, machten aber große Fortschritte. Die Beurteilungen der Schulen vom Herbst / Winter 2011 benennen durchweg gute Entwicklungen. Ein Ergebnis, zu dem auch die Eltern beigetragen haben, indem sie die Kinder stets zum Schulbesuch anhielten. Die jeweils individuell nötigen Vorstellungen und Begutachtungen begleiteten sie und bei Bedarf sprachen sie auch von sich aus die Lehrkräfte an und baten um Erklärungen von Schulmitteilungen.

In ihren Klassen, im Hort waren die Kinder gern gesehen, was auch in den Briefen und Grüßen, den selbstgemalten Bildern der Mitschüler und den Fotos der Eltern deutlich zum Ausdruck kommt.

Bei Nachbarn und Vermietern hatte Familie Meta einen guten Stand. Zufriedene Vermieter, mit der Familie vertraute Nachbarn äußern Unverständnis über die Begründung und Art und Weise der Abschiebung. Die herzliche, freundschaftliche Beziehung zu den nächsten Nachbarn war gewachsen durch gemeinsame Schwimmbadbesuche, freiwillige Hausaufgabenbetreuung, gegenseitige Einladungen zu gemeinsamen Mahlzeiten. Fast täglich waren die jüngeren Meta-Kinder in der Wohnung der Nachbarn.

Einen Rentner versorgte der fröhliche Sohn Rama mit den benötigten Medikamenten aus der Apotheke. Im TSV spielte Rama in der Fußballmannschaft seines Jahrgangs.

Aus diesen vielfältigen, gewachsenen Strukturen wurde die Familie in äußerst unsensibler, die menschlichen Beziehungen völlig mißachtender Weise, herausgerissen, ohne die über etliche Jahre entstandenen emotionalen Verbindungen zu respektieren.

Auch bei den zurückgebliebenen Kindern des Horts und der betroffenen Klassen wurden Gefühle von Unsicherheit, Unverständnis und Ohnmacht ausgelöst.

Dass die niedersächsiche Härtefallkommission den Antrag der Familie abgelehnt hat, in ihrem Fall eine besondere Härte zu sehen, ist für viele Menschen nicht verständlich. Ähnlich sachlich und anscheinend nur nach bürokratischen Vorgabemustern behandelt, wurden leider schon zahlreiche Anträge von der Kommission abgelehnt.

Der Antrag des Rechtsanwalts auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG wurde im November gestellt. Nach Ansicht des Rechtsanwalts bestand berechtigte Aussicht auf Anerkennung der notwendigen Bedingungen: der gelungenen Integration. Integration ist vor allem ein Prozess, der immer wieder neue Ergebnisse zeitigt, daher müssen die neuesten Beurteilungen ein großes Gewicht haben. Noch bevor der aktuelle Stand der Integration überprüft worden war, wurde die Abschiebung eingeleitet.

Der Rat der Samtgemeinde Land Hadeln kann dieses voreilige Vorgehen nicht nachvollziehen.

Sinti und Roma mussten um ihre Anerkennung als Verfolgte des Naziregimes kämpfen, obwohl ihre Verfolgung und massenhafte Ermordung als „rassisch minderwertiges Leben“ zwischen 1933 und 1945 nicht bezweifelt werden kann.

Und heute? Während des Kosovokrieges und vor allem im Anschluss daran kam es im Kosovo zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Roma. Armut und Diskriminierung, Arbeitslosigkeit von 90 Prozent, Ausschluss von Bildungs- und sozialen Sicherungssystemen und ärztlicher Behandlung, sind traurige Gegenwart – von einem „Leben in Sicherheit und Würde“ kann für Roma keine Rede sein, und es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich die Lage der Roma im Kosovo in naher Zukunft verbessern wird. Nach wie vor leben Roma im Kosovo am Rande der Gesellschaft.

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, sprach sich verschiedentlich gegen Abschiebungen aus, da noch lange kein Schutz von Minderheiten garantiert sei und eine freie Justiz im jungen Kosovo kaum aufgebaut werden konnte.

Etwa 20.000 der geflüchteten Roma leben heute in Deutschland, davon ca. 5000 in Niedersachsen – fast alle jedoch nur mit einer Duldung. Bis November 2008 hat die UN-Verwaltung in Kosovo (UNMIK) Abschiebungen von Roma und Serben ins Kosovo verhindert. Im Jahr 2009 hat sich die neue kosovarische Regierung unter politischem Druck aus Deutschland und anderen europäischen Staaten in einem „Rücknahme-Abkommen“ bereit erklärt, auch Roma-Flüchtlinge „zurückzunehmen“. Es steht zu befürchten, dass diese Zusage von deutscher Seite benutzt werden soll, um viele der geduldeten Roma abzuschieben.

Es ist unglaubwürdig, wenn wir zwar den faschistischen Völkermord an Sinti und Roma als Verbrechen brandmarken, – im Bundestag wird jedes Jahr im Dezember an dieses Verbrechen erinnert – den Roma jedoch gleichzeitig unseren vorbehaltlosen Schutz verweigern. Ein Leben in Sicherheit und Würde ist im Kosovo für Roma praktisch unmöglich – daher muss Roma-Flüchtlingen ein sicherer Aufenthalt in Deutschland möglich sein.

 

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1 Gedanke zu „Proteste im Landkreis Cuxhaven – Forderungen nach Rückkehr der Familie Meta“

  1. Hallo !
    Für Familie Meta gibt es mittlerweile eine eigene Internetseite unter http://www.familiemeta.jimdo.com . Von Sohn Lumni ist ein Rap-Text veröffentlicht, den ich hier nochmal wiedergebe :
    Am 7.12.2011 wurde die Roma-Familie Meta aus Otterndorf im Landkreis Cuxhaven in
    den Kosovo abgeschoben.
    Der folgende Text ist von Lumni (19 Jahre), dem ältesten Kind der Familie:

    „Ich erzähl euch eine wahre Geschichte, die geht um Flüchtlinge.
    Ich bin einer von denen, denn ich habe viel gesehen, viel erlebt. Ich lüg dich nicht an mein
    Freund, ich sag’s dir so wie es ist.
    Ist die Wahrheit, ich war sieben, acht Jahre alt und ganz plötzlich knallts: rechts, links, links
    rechts! Scheiße yo, was machen wir denn nun?
    Meine zwei Tanten haben neben uns gewohnt, dann haben wir uns versammelt und dann,
    gemeinsam weg gegangen, Richtung Wald. Stunde später, sahen wir wie unser Haus brennt,
    wir wussten nicht mehr wo wir sind.
    Wir waren 20, 30 Mann, laufen weiter die Straße lang, Richtung Wald, es war eiskalt, doch es
    schneite trotzdem weiter, kein Scheiß!
    Wir haben, ein zwei Tage im Wald geschlafen, Soldaten kamen, wir sind dann weiter, weiter
    weg gegangen.. nach Serbien.
    Tote Leichen gesehen, viel Scheiß erlebt, doch ich danke Gott, dass ich noch leb‘, zusammen
    mit meiner Familie! Mein Name ist Lumpi G, ich bin stolz auf mich, dass es mich noch gibt,
    ich hab echt viel erlebt.
    Und dann waren wir in Serbien: So kamen wir in einer alten Schule an, wir wussten nicht
    mehr was wir machen, Mann! Eigentlich hat ab da, mein Leben keinen Sinn gehabt! Doch
    durch meine Eltern hat mein Leben irgendwie einen Sinn gehabt. Wußte, Lumni in
    Deutschland, werd ich Lumpi G.
    In dieser Schule, haben wir ein, zwei Jahre gelebt. Es war nicht schön, aber wenigstens ein
    Dach über den Kopf. Gott sei Dank kam er von uns, ging fort. Wir haben überlebt, doch
    manche nicht, der Bruder war weg, keiner weiß wo er steckt, bis jetzt! Wir haben echt großes
    Glück gehabt, sonst wär ich nicht mehr da, doch ich bin da!
    Es war eine schlimme Zeit, ich habe Leute ohne Arme und Beine gesehen, das ist kein
    Kinderspiel, sondern die wahre Realität. Das alles hab ich miterlebt und gesehen, ich danke
    Gott, dass ich immer noch leb!
    Schlimme Zeit, ich habe eine schlimme Vergangenheit, doch endlich ist es damit vorbei! Ich
    bin froh, dass ich von da weg bin, sonst hätte mein Leben da keinen Sinn.
    Ich freue mich, dass ich vom Kosovo weg bin, freue mich dass alles vorbei ist! Und hier bin
    ich in Deutschland und jetzt hat mein Leben einen Sinn! Ich hoffe ihr schickt uns nicht
    zurück, wenn doch, dann hat mein Leben echt keinen Sinn.
    Tut mir das bitte nicht an, Deutschland ist meine Heimat, Mann!
    Versteh was ich meine, Kosovo ist kein schönes Land, weil ich gesehen hab, was Kosovo mit
    den Menschen gemacht hat, mein Papa ist davon krank. Das alles hat Kosovo mit ihm
    gemacht, er hat Kopfschmerzen jeden Tag!
    Der arme Mann, er tut mir so leid, Kopfschmerzen jeden Tag, er kommt nicht klar. Bitte tut
    uns das nicht an, schiebt uns nicht ab. Wenn doch, knall ich mich ab. Doch das will ich nicht
    machen, ich will in Deutschland bleiben, ich bin hier aufgewachsen!
    Ich komme aus Kosovo und ich will nicht zurück! Was soll ich da? Da hat mein Leben keinen
    Sinn, weil ich da niemanden kenn! Sogar meine Muttersprache hab ich schon verlernt! Ja man
    denkt, wie geht das? Früher hab ich so was auch gedacht, aber jetzt kenn ich das, kann besser
    deutsch, als meine Muttersprache, kein Scheiß. Ich sag’s dir so wie ich es meine. Wenn du
    aufmuckst, komm ich mit nem Panzer an. Nein, Spaß!! Ich hab genug von genug von dem
    Scheiß, mir reicht’s! Aber wenn du aufmuckst, knall ich ab! Soll ich dich umbringen?
    Nein! Nein! Ich bin nicht dein Feind !
    Versteh was ich mein, bitte tu uns das nicht an, schiebt uns nicht ab. „

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