Abschiebung gegen das Votum des Amtsarztes

Ahmed Saado: Abschiebung gegen das Votum des Amtsarztes? / Landkreis Göttingen will suizidkranken Flüchtling in die türkische Psychiatrie abschieben. /Niedersächsischer Flüchtlingsrat verweist auf Petition und fordert Bleiberecht. /Haftprüfungstermin morgen, am 5.7.2005, vor dem Amtsgericht.

Die Ausländerbehörde des Landkreis Göttingen will 43jährigen Vater einer libanesi-schen Flüchtlingsfamilie nach 20-jährigem Aufenthalt in Deutschland ohne seine Familie in die Türkei abschieben. Seit dem 8. Juni befindet sich Ahmed Saado in Abschiebungs-haft. Der zuständige JVA-Arzt hat zuletzt vor einigen Tagen die Suizidgefährdung… Saados festgestellt und von einer Abschiebung abgeraten. Der Landkreis Göttingen hält jedoch an der Abschiebung fest und plant, Saado, der kein Wort türkisch spricht, nach ärztlich be-gleiteter Abschiebung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt der Türkei zwangsein-weisen zu lassen. Ein erstmaliger und menschenverachtender Vorgang der deutschen Abschiebungspraxis.

„Es ist das erste Mal überhaupt, dass uns ein solches Vorgehen der Behörden bekannt geworden ist“, so die ßrztin Dr. Gisela Penteker, die im Rahmen einer Delegation der IPPNW regelmäßig die Türkei bereits, zuletzt im Mai dieses Jahres. „Durch die bevorste-hende Trennung der Familie und die Sicherheitsverwahrung in der Türkei wird sich die Situation Saados in Zukunft weiter verschlechtern. Dies ist eine ernsthafte Bedrohung seines Gesundheitszustandes, der mit ärztlicher Verantwortung nicht zu vereinbaren und ei-nes Rechtsstaates nicht würdig ist“, so Dr. Penteker weiter. „Die Situation der psychiatrischen Versorgung in der Türkei ist im ßbrigen besorgniserregend, eine angemessene Behandlung wird dort nicht stattfinden können.“ Ahmed Saado verweigert aus Protest seit dem 29.6. die Aufnahme von Nahrung.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert eine Bleiberechtsregelung für die Familie, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Herr Saado hat bereits als
Kleinkind die Türkei verlas-sen und wurde im Libanon als Vollwaise adoptiert, von dort ist die Familie während des Krieges 1985 geflüchtet.
Derzeit häufen sich in Niedersachsen die Abschiebungsfälle von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Libanon, deren Vorfahren einmal in der Türkei gelebt haben. Seit einem Jahr liegt beim niedersächsischen Petitionsausschuss eine Eingabe für eine humanitäre Bleiberechtsregelung für diesen Personenkreis. Bundesweit sind eini-ge zehntausend Angehörige dieser Gruppe von den Abschiebungen in die Türkei betrof-fen, die allesamt
vor 15 bis 20 Jahren aus dem Libanon in die BRD geflohen sind. Weil sie Vorfahren in der Türkei hatten, steht ihnen die Abschiebung in ein fremdes
Land bevor, dessen Sprache sie selbst und vor allem die hier aufgewachsenen Kinder nicht sprechen.

gez. Dr. Gisela Penteker

weitere Informationen: Geschäftsstelle, Sigmar Walbrecht, Tel. 05121 – 102787

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