Tageszeitung junge Welt – Bleiberecht ist keines

Flüchtlingsberater: Innenminister-Regelung für langjährig geduldete Ausländer bewährt sich nicht. Verdacht auf Täuschung ist schon Ausschlußgrund

Reimar Paul // Die Bosnierin Alina O. floh 1999 mit ihrem Ehemann und drei minderjährigen Kindern nach Deutschland. Ein Asylantrag scheiterte, aber als die deutschen Innenminister im November eine Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge vereinbarten, schöpfte Familie O. neue Hoffnung.

Doch der zuständige Landkreis Holzminden zögert, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Der Kreis bezweifelt Angaben von Alina O., nach denen ihre schwere und von Gutachtern bestätigte psychische Erkrankung eine Folge der in Bosnien erlittenen Gewalt ist. Und wer die Behörden vorsätzlich täuscht, soll den Ministern zufolge kein Bleiberecht erhalten.

Die Teillösung beim Bleiberecht war erst nach jahrelangem Streit zustande gekommen. Danach können Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, wenn sie mindestens acht Jahre in Deutschland leben und ihren Unterhalt selbst verdienen. Für Familien gilt eine Aufenthaltsdauer von sechs Jahren. Am 17. Mai lief die Frist ab, in der Flüchtlinge ein Bleiberecht beantragen konnten.

Nach Angaben von Staatssekretär Peter Altmaier (CDU) vom Bundes­innenministerium hatten bis Anfang April knapp 60000 der rund 164000 in Deutschland geduldeten Flüchtlinge ein Bleiberecht beantragt. Nur 6100 Flüchtlinge erhielten bisher eine Aufenthaltserlaubnis, 3400 Anträge wurden abgelehnt. Die meisten Ablehnungen seien erfolgt, weil Antragsteller die Behörden getäuscht oder früher Abschiebungen verzögert hätten. „Wie viele Personen voraussichtlich insgesamt von der Bleiberechtsregelung begünstigt sein werden, läßt sich nicht vorhersagen“, erklärte Altmaier.

„Eine katastrophale Bilanz, die Regelung läuft ins Leere“, kritisieren Flüchtlingsberater. Viele geduldete Flüchtlinge verfügten gar nicht über die verlangten Pässe oder Ersatzpapiere, sagt Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat: „Die Menschen haben oft Hals über Kopf das Land verlassen.“ Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die der Krieg zu Staatenlosen gemacht habe, bekämen von keinem der Nachfolgestaaten einen Ausweis: „Und ohne Paß gibt’s keine Arbeitserlaubnis und ohne Arbeitserlaubnis kein Bleiberecht.“

Doch selbst wer Arbeitsplatz und Paß vorlegen kann, scheitert nach Angaben von Pro Asyl oft an weiteren sogenannten Ausschlußgründen. Eine Familie habe keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, weil sie 1999 im Kirchenasyl Schutz vor Abschiebung suchte. Ein Mann habe das Bleiberecht verwirkt, weil er beim Schlachten von Schafen keinen Veterinär hinzuzog und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Die Kriterien seien zu eng gefaßt, bemängeln auch die Kirchen in Nord­rhein-Westfalen. Der Münsteraner katholische Weihbischof Josef Voß und der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen Alfred Buß fordern, daß Flüchtlinge auch ohne eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Zudem sei nicht hinzunehmen, daß auf Unterstützung angewiesene Alte, Kranke und Behinderte sowie unbegleitete Minderjährige vom Bleiberecht ausgeschlossen blieben.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) verweist darauf, daß der Innenministerbeschluß der Länder nur eine ßbergangsregelung ist. Von der großen Koalition bereits vereinbarte ßnderungen könnten bis zum Sommer als Bundesgesetz unter Dach und Fach sein. Dann hätten Flüchtlinge bis 2009 und damit zwei Jahre länger als zunächst vorgesehen Zeit für die Jobsuche. Niedersachsen und Bayern haben allerdings angekündigt, im Bundesrat gegen den Entwurf zu stimmen.

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