Heute richten sich viele Blicke gen Osten; Bundeskanzlerin Merkel besucht Warschau. Weniger Blicke richten sich wohl nach Terespol bzw. Brest, einem der vielen „Vorposten“ der EU. Gerade einmal rund 940 km entfernt von Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover liegt Terespol, ein Ort an der polnischen EU-Außengrenze. Ein Ort, an dem seit Monaten hunderte Schutzsuchende vor allem aus der Russischen Föderation von polnischen Grenzbeamt:innen aufgehalten werden, die aus Belarus nach Polen einreisen möchten, um in der EU Schutz zu finden. In Brest wurden heute früh -9 Grad gemessen.
Die Aktivist:innen von Human Constanta, die die Schutzsuchenden rund um den Brester Bahnhof unterstützen, haben die prekäre Lage bereits im Herbst 2016 dokumentiert. Wie PRO ASYL in einem zusammenfassenden Bericht über die Lage an den östlichen EU-Außengrenzen berichtet, wurde im Zeitraum Januar bis September 2016 insgesamt 72.372 Personen die Einreise nach Polen verweigert (davon 61.267 Personen aus der Russischen Föderation); im gesamten Vorjahr 2015 waren es danach noch 17.376 Einreiseverweigerungen. Die Grenzwache verweigert den NGOs und dem UNHCR den Zugang zu den Vorgängen an der Grenze.
Die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland ist dennoch weitgehend gleich null. Es gibt kaum Berichterstattung. Die Zurückweisungen polnischer Grenzbeamt:innen sind allerdings anderweitig dokumentiert, hier und hier.
Die EU will lieber direkt beim Nachbarn Belarus investieren, als Polen an die Einhaltung des Rechts zu erinnern. Sieben Mio. EUR für „temporäre Unterbringungszentren für Migranten“ sollen es in Belarus werden. Das Geld stammt aus dem Europäischen Nachbarschaftsprogramm und soll ab 2017 fließen. Verantwortlich soll die International Organization for Migration (IOM) sein. Hintergrund sind vor dem Abschluss stehende Verhandlungen zwischen der EU und Weißrussland über ein Rücknahmeabkommen. Dieses verpflichtet Minsk, Flüchtlinge zurückzunehmen, die über das Land in die EU kommen. Weißrussland bekommt dafür Visaerleichterungen.
Hintergrund:
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. berät und unterstützt seit vielen Jahren u.a. Schutzsuchende aus der Russischen Föderation, vor allem aus dem Nordkaukasus. Die Menschenrechtslage ist dort nach wie vor vielfach prekär. In den Jahren 2013 und 2016 zählte Russland zu den Hauptherkunftsländern bei Schutzgesuchen in Deutschland. Darunter befinden sich vielfach Personen aus den südlichen Regionen Russlands wie etwa Tschetschenien. Deutschen Staatsbürgern rät das Auswärtige Amt seit Jahren von nicht dringend erforderlichen Reisen in die Region des Nordkaukasus ab, da in den dortigen Regionen aufgrund von Anschlägen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Entführungsfällen ein hohes Sicherheitsrisiko bestehe.
Hintergründe zur spezifischen Situation von verfolgten Frauen lassen sich beispielsweise im EASO-Report über Tschetschenien aus 2014 nachlesen.
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