Sebastian und die Ausländerbehörde

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

das Büro des Flüchtlingsrats Niedersachsen wird noch bis zum 23.12. geöffnet sein und dann bis zum 5.01.2009 die Tore schließen. Ich danke allen Unterstützern/innen des Flüchtlingsrats für die geleistete finanzielle und ideelle Hilfe und wünsche euch / Ihnen ein paar erholsame Feiertage. Die nachfolgende Passage aus einem (nicht mehr ganz neuen) Buch von Wladimir Kaminer übersende ich zur allgemeinen Erbauung – und wünsche mir, dass die geduldeten Flüchtlinge, die derzeit noch um ein Bleiberecht kämpfen, eines Tages ähnlich spöttisch mit den Anforderungen der Behörden zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis umgehen können, wie das der Vater von Sebastian kann. In diesem Sinne – frohe Weihnachten und ein gutes Jahr 2009

gez. Kai Weber

Sebastian und die Ausländerbehörde

aus dem Buch „Ich mache mir Sorgen, Mama“ (Wladimir Kaminer 2004)

Seit einiger Zeit bekommt mein zweijähriger Sohn Briefe, die an ihn persönlich adressiert sind. Nicht irgendwelche Liebesbriefe von seinen Kitakumpeln, sondern offizielle Anschreiben von der Ausländerbehörde. „Sehr geehrter Herr Sebastian“, steht da, „seit beinahe zwei Jahren befinden sie sich illegal in Deutschland. Das geht so nicht, rufen Sie uns so schnell wie möglich an. Hochachtungsvoll, Spende.“ Sebastian hat vor kurzem das Telefon als neues Spielzeug entdeckt und ruft nun dauernd alle möglichen Leute an, in dem er wahllos auf die Tasten drückt. Er hat schnell gelernt, dass hinter jeder Zahlenkombination im Telefon eine lustige Stimme steckt. Dann hört er aufmerksam zu, doch viel zu erzählen hat er noch nicht. Er grunzt nur freundlich und legt nach einiger Zeit wieder auf. So ein Telefongespräch wäre für Herrn Spende ein schwacher Trost. Also nahm ich die Sache selbst in die Hand und telefonierte mit der Ausländerbehörde. Herr Spende erwies sich als eine Frau.

„Sie wissen sicher, Herr Kaminer, dass jedes Kind in Deutschland, spätestens fünf Monate nach seiner Geburt einen Kinderpass beantragen muss. Ihr Kind ist nun aber schon zwei Jahre alt und hat sich noch immer nicht bei uns gemeldet.“

„Seien Sie nicht sauer, wir haben es einfach vergessen, weil im Kindergarten nach dem Pass nie gefragt wurde und mit der Polizei oder dem Grenzschutz hat Sebastian auch noch keinen Kontakt gehabt. Außerdem hatten wir sehr viel zu tun“, verteidigte ich mich.

„Wollen sie mich veräppeln? Denken Sie, wir spielen hier nur Spielchen?“, erwiderte Frau Spende wütend.

„Nein, ganz bestimmt nicht. Ich fahre jetzt gleich zu Ihnen rüber und beantrage für Sebastian einen Kinderpass“, versuchte ich die Frau zu beruhigen.

„Sie werden aber keinen Kinderpass für ihren Sohn bekommen, weil sie und Ihre Frau keine deutschen Staatsbürger sind. Also gilt auch ihr Sohn als Ausländer und muss zuerst eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen,“ klärte mich Frau Spende auf.

„Aber er war doch noch gar nicht im Ausland, nur im Bauch seiner Mutter quasi. Seit seiner Entbindung befindet sich Sebastian permanent in Deutschland. Selbst wenn er wollte, könnte er nicht verreisen, weil er, wie Sie ganz richtig schrieben, keinen Kinderpass besitzt“, entgegnete ich.
„Sie wollen mich schon wieder veräppeln“, meinte Frau Spende beleidigt.

Ich ahnte schlimmes und fragte Sie, ob ich den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nicht aus dem Internet runterladen oder ihn per Post zugeschickt bekommen könne. „Weder noch“, war die knappe Antwort.

Ich musste persönlich den Antrag abholen. Damit setzte ich mich dann zusammen mit Sebastian an den Schreibtisch. Der „Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung“ bestand aus 27 Fragen, die alle ausführlich beantwortet werden sollten, wie Frau Spende im Gespräch mehrmals betont hatte. Die ersten 10 Fragen betrafen Sebastians Familienverhältnisse – seine Vorstrafen, Ex-Ehefrauen und früheren Staatsangehörigkeiten. Ich beantwortete sie schlicht mit der Bemerkung „Kind“. Ab der zwanzigsten Frage wurde es richtig problematisch.

„Was ist der Zweck Ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland?“, las ich Sebastian laut vor. Er grunzte. Er hatte den Zweck seines Aufenthaltes hier noch nicht kapiert. In dem Antrag gab es fünf verschiedene Antworten auf diese Frage: Besuch, Touristenreise, Studium, Arbeitsaufnahme, usw.

Nach langem hin und her entschieden wir uns für „usw“.
„Wie lange beabsichtigen Sie in der Bundesrepublik zu bleiben?“, fragte ich meinen Sohn. Sebastian grunzte wieder begeistert. Er mochte das Ausfüllen des Antrags, wollte aber lieber die „wilde Ferkeljagd“ mit mir spielen. Das Spiel geht so: Sebastian versteckt sich als wildes Ferkel hinter einer Gardine und ich muss als Jäger ganz leise auf Zehenspitzen durch die Wohnung laufen und nach dem wilden Ferkel rufen. Ihn quasi suchen, obwohl es gar nicht nötig ist, weil das Ferkel so laut grunzt, daß die richtige Gardine, hinter der es steckt, gar nicht zu verfehlen ist. Bei diesem Spiel amüsiert sich Sebastian über alle Maßen, und nie kann er genug davon bekommen. Also schrieb ich „Ewig“ in den Antrag. Sofort kamen mir aber Zweifel: Ist „ewig“ nicht doch ein wenig übertrieben? Ich strich das „ewig“ durch und schrieb dafür „lange“.

„Haben Sie vor, eine Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik auszuüben?“
Hmm… Ich schaue Sebastian tief in die Augen. Bisweilen sieht es nicht danach aus, aber wer weiß.. ich schrieb vorsichtig „nicht ausgeschlossen“ rein. Sebastian grunzte wieder.

Zwei Wochen später war ich wieder bei Frau Spende zu Gast. Sie las den Antrag durch und wurde wieder sauer.

„Sie wollen mich schon wieder veräppeln?“, sagte sie vorwurfsvoll. „Na gut, meinte sie schließlich, „wir haben auf Sie zwei Jahre gewartet, jetzt werden Sie ein paar Stunden auf uns warten müssen.“ Ich setzte mich in den Warteraum und nahm mir ein dickes Buch aus der Tasche. Doch Frau Spende erwies sich als ein guter Mensch und hervorragender Mitarbeiter. Und diesen ganzen Quatsch mit den Anträgen hatte sie sich auch nicht selbst ausgedacht. Schon nach zwanzig Minuten wurde ich von ihr wieder reingerufen – und bekam gleich alles auf einmal in die Hand gedrückt: Die Aufenthaltsgenehmigung für Sebastian und einensuper dicken neuen Hardcover-Reisepass dazu. Jetzt können wir mit ihm um die ganze Welt fliegen.

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1 Gedanke zu „Sebastian und die Ausländerbehörde“

  1. Hi, das mit Sebastian hört sich echt witzig an.
    Naja ich habe fast das gleiche problem selber mit der Ausländerbehörde bei Frau Müller.
    Nun ich bin selber seit meinem Siebten Lebensjahr in Deutschland und nun bin ich 26 jahre alt und wegen eines missverständniss wurde ich 2008 von der Ausländerbehörde abgemeldet worden wobei ich es zu diesem zeitpunkt nicht gewusst habe. Nun als ich mich Arbeitslos melden wollte und mich in meiner eigenenen Wohnung anmelden wollte im Börgeramt da ich damals im achten monat schwanger war,also habe ich zum aller ersten mahl dort erfahren dass ich nicht mehr in Deutschland gemeldet sei,es war ein schock für mich. Nun ist mein Sohn Aldian 15 monate alt und weder mein Sohn noch ich sin Gemeldet also sind wier qasi wie illegal hier. Ich kämpfe immer noch um meinen Aufenthalt weil ich in Deutschland aufgewachsen bin und ich damals einen unbefristeten aufenthalt hatte. Ich weis nur nicht ob die von der Behörde es so machen dürfen,dass mein Kind nicht Gemeldet ist obwochl er hir in Deutschland geboren ist. Müsste er nicht normaler weise einen geduldeten aufenthalt haben bis ich bzw. wir wissen wie es um meinen Aufenthalt steht? iCH BITTE jeden der mir einen guten rat geben kann.
    Mit freuntlichen größen Selma und Aldian

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