10. März 19:00 Uhr in Wettbergen: Flüchtlinge – Rechtslage, Wirklichkeit und Willkommenskultur

Sebastian Rose, Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Niedersachsen, schildert die Probleme von Flüchtlingen in Deutschland. Neben der Rechtslage wird er die Wirklichkeit von Unterbringung, Zugang zu Spracherwerb, Arbeitserlaubnis sowie Gesundheitsversorgung behandeln. Martin Roger, amnesty international, wird dies aus seiner Sicht ergänzen. Andreas Markurth, Bezirksbürgermeister, wird die geplanten Hilfen der Politik vorstellen.

Leider sind in vielen Köpfen unserer Gesellschaft noch Einschränkungen und Vorbehalte, die einer gesellschaftlichen Teilhabe von Flüchtlingen entgegenstehen. Die Referenten werden aufzeigen, was jeder Einzelne machen kann, um ein erwünschtes Willkommen zu ermöglichen. Dies könnte ein startup für die geplante Initiative „Willkommen in Wettbergen“ sein. Zu dieser gemeinsamen Veranstaltung von Kirchengemeinde und mannoMANN sind Damen und Herren herzlich eingeladen.

Ort: Katakombe Wettbergen
An der Kirche
30457 Hannover

siehe hierzu auch den Artikel von Sebastian Rose auf der Homepage der Kirchengemeinde Wettbergen

Flüchtlinge bei uns 
Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik?

von Sebastian Rose

Die Flüchtlingspolitik ist derzeit nahezu täglich Gegenstand öffentlicher Berichte. Angesichts steigender Anträge auf Asyl werden auf den verschiedenen Ebenen von Politik und Gesellschaft, aber auch bei den Menschen vor Ort verschiedene Aspekte diskutiert. In Niedersachsen hat sich die Landesregierung hier eine deutlich veränderte Herangehensweise vorgenommen. Dabei ist häufig von einem Paradigmenwechsel die Rede, den man im Umgang mit Flüchtlingen einleiten wolle und den man mit der Schaffung einer sogenannten „Willkommenskultur“ unterstreichen möchte.

Heute kann man bereits eine deutliche Veränderung der Stimmung in Niedersachsen feststellen. Flüchtlinge gelten nicht länger als ungebetene Gäste, sondern als Menschen, die Anspruch auf unsere Solidarität und Unterstützung haben. Im Bereich des Flüchtlings- und Asylrechts sind jedoch zahlreiche Weichen auf Bundes- wie europäischer Ebene noch in eine andere Richtung gestellt. Niedersachsen selbst hat hier nur eingeschränkte Zuständigkeiten.

Als Knackpunkte auf dem Weg zu einer Änderung stehen in Europa etwa die Dublin-Regelung, in Deutschland das Asylbewerberleistungsgesetz, Einschränkungen beim Arbeitsmarkt- und beim Sprachkurszugang sowie in der Bewegungsfreiheit einer gleichberechtigten Teilhabe von Asylsuchen und Flüchtlingen nach wie vor entgegen. Auch beim Zugang zur Gesundheitsversorgung besteht noch großer Handlungsbedarf. Die sogenannte Dublin-Regelung regelt die Zuständigkeit für ein Asylverfahren in einem europäisierten Asylrecht. Grundsatz ist, dass ein Asylverfahren nur in einem Staat durchgeführt werden soll, und zwar in dem Staat, in dem ein Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt. Da die Hauptreisewege von Zuwandernden über Länder wie Italien, Bulgarien, Griechenland, Ungarn oder Polen nach Deutschland führen, erhalten viele Betroffene keine Chance auf ein inhaltliches Asylverfahren in Deutschland, sondern lediglich die Entscheidung, dass sie in die Ersteinreisestaaten zurückgeschickt werden sollen. In einigen der Erstaufnahmestaaten sind die Bedingungen allerdings so problematisch, dass zahlreiche Gerichte Rücküberstellungen dorthin stoppen. Einen generellen Überstellungsstopp gibt es aber bisher nur für Griechenland, da bereits 2011 durch europäische Gerichte festgestellt wurde, dass das griechische Asylsystem derzeit nicht den gesetzten Anforderungen gerecht wird.

Die Dublin-Regelung durchkreuzt zuweilen auch direkt die bei uns bereits erfolgten Integrationsschritte von Betroffenen. So kann es durch lange Verfahren bedingt sein, dass Betroffene bereits längere Zeit hier leben, die Sprache gelernt haben und sich auch sonst angestrengt haben, an der Gesellschaft teilzuhaben. Dies wird dann plötzlich durch eine Dublin-Entscheidung zunichte gemacht. Auch die Bundespolitik folgt nicht dem niedersächsischen Modell eines Paradigmenwechsels. Zwar gab es im Rahmen eines bundespolitischen Kompromisses im Herbst 2014 eine Verständigung darüber, dass Verbesserungen beim Arbeitsmarktzugang und bei den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Asylsuchende und Geduldete sowie die Abschaffung des sogenannten Sachleistungsprinzips, nach dem bisher vielfach Sozialleistungen in Form von Sachleistungen erbracht wurden, in die Wege geleitet werden sollen. Allerdings wurde all das „erkauft“ mit der gesetzlichen Verankerung von drei südosteuropäischen Staaten als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Serbien, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina gelten nun als sicher, obgleich dort die Menschenrechtslage gerade für Minderheiten wie beispielsweise Roma höchst problematisch ist. Betroffene aus diesen drei Staaten haben zwar weiterhin das Recht auf ein individuelles Asylverfahren; die Erfolgsaussichten wurden durch diese gesetzliche Grundsatzentscheidung aber sehr eingeschränkt.

Ein großes Problem ist derzeit auch die Dauer der Asylverfahren, durch die Betroffenen häufig über Monate oder Jahre in einem Zustand mit unsicheren Zukunftsperspektiven gehalten werden. Während eines Asylverfahrens gibt es zudem keinen geregelten Zugang zu Sprach- oder Integrationskursen. Vielfach ist dieser davon abhängig, dass auf kommunaler Ebene Sprachkurse organisiert und finanziert werden bzw. dass die Betroffenen mit Hilfe privater Unterstützung Zugang zum Spracherwerb bekommen. Sehr ermutigend ist die Stimmung in breiten Teilen der Gesellschaft. Im ganzen Land haben sich neue Initiativen gebildet, die vor Ort etwas tun wollen und Flüchtlinge willkommen heißen, die sich einmischen und Unterstützung leisten. Diese Menschen machen Mut, weiter in einem Feld zu arbeiten, das unser volles Engagement erfordert.

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