Medizinische Hilfe für Illegale

Von Reimar Paul – Alina, 81, lebt seit mehr als 15 Jahren ohne gültige Aufenthaltspapiere bei ihrer Tochter in Deutschland. Mittlerweile ist die Kirgisin an Darmkrebs erkrankt. Weil sie nicht krankenversichert ist, müssen ihre Kinder für die Kosten der Therapie aufkommen.

Zudem hat Alina Angst, dass das Krankenhaus ihren Fall an die Behörden meldet und ihre Kinder ßrger bekommen. Ihre größte Sorge ist aber, ob sie als nicht registrierte Einwanderin in Deutschland nach ihrem Tod überhaupt ein Grab bekommt.

Kein Einzelfall: Bis zu einer Million Menschen leben Schätzungen zufolge heimlich in Deutschland. Weil sie keine gültigen Papiere haben, gelten sie als „Illegale“ und damit als Straftäter. Aus Angst vor ihrer Entdeckung und Ausweisung trauen sie sich nicht zum Arzt zu gehen, wenn sie krank sind. Und sie haben Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken und sich gegen Lohnbetrug zu wehren.

Hilfe bei Krankheit gab es bislang nur in einer rechtlichen Grauzone. In Göttingen etwa unterstützt der Verein Medizinische Flüchtlingshilfe die „Illegalen“. „Im Schnitt kommen zweimal in der Woche Flüchtlinge ohne Papiere und Krankenversicherung zu uns, die zum Arzt müssen“, erzählt ein Mitglied der Initiative. Die junge Frau schätzt, dass insgesamt 500 bis 1.000 Flüchtlinge unregistriert in der Universitätsstadt leben. Bundesweit sind es wohl bis zu einer Million.

Die Medizinische Flüchtlingshilfe hat Kontakt zu etwa zehn Göttinger ßrztinnen und ßrzten, die regelmäßig „Illegale“ behandeln – meistens kostenlos und ohne nach ihrer Adresse und Papieren zu fragen. Auch einige Krankenhäuser seien in das Göttinger Netzwerk eingebunden, „die übernehmen bei Operationen oder Geburten zumindest einen Teil der Kosten“.

In den vergangen Jahren sind in mehreren Großstädten solche Netzwerke entstanden. Hebammen, ßrzte und Krankenhäuser in Berlin, Bremen, Hamburg, Hannover, Köln und anderen Städten versorgen jedes Jahr mehrere tausend Menschen ohne Papiere und verhelfen mehreren hundert Kindern zur Geburt. Oft verweigern Mediziner aber auch Hilfe. Sie hätten Angst, sich an möglicherweise unrechtmäßigen Aktionen zu beteiligen und dabei selbst strafbar zu machen, sagt der Göttinger Migrationsforscher Holk Stobbe.

Es müsse auch Ausnahmen von der Meldepflicht geben, wenn Kinder von Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus die Schule oder den Kindergarten besuchen wollte, sagte die Landesbischöfin Margot Käßmann.

Für die medizinische Versorgung stellt die Landeskirche künftig einen „Notfallfonds“ zur Verfügung. Er wurde zunächst mit 10.000 Euro ausgestattet. Mit dem Geld sollen Medikamente und Operationen für „Illegale“ bezahlt werden.

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