Beschaffung von Passersatzpapieren aus Guinea und Sierra Leone durch deutsche Ausländerbehörden

„Eine Gebühr in Höhe von 2.500 Euro wurde in Gegenwart des Mitarbeiters der ZAAB Braunschweig – Herrn … – bezahlt. Eine Quittung wird, wie im Fall C.K., durch die Republik Guinea später ausgestellt werden.“

Zur Beschaffung von Passersatzpapieren aus Guinea und Sierra Leone durch deutsche Ausländerbehörden (Der Text findet sich mit Fußnoten und Quellenhinweisen hier).

Von RA Jan Sürig, Bremen

Aufenthaltsrechtlich tätigen AnwältInnen, MitarbeiterInnen der Flüchtlingsräte und anderen beruflich mit Flüchtlingen befassten Menschen ist die Zahlung von Handgeldern insbesondere für guineische Passersatzpapiere nicht neu:

Bereits 2007 tauchten in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg Aktenauszüge des Landkreises Halberstadt auf, aus denen sich die Zahlung von 16.000 € für „Gebühr für Einreisebehöden-Übernahmeerklärung Guinea“ für acht Personen ergab . Empfänger war das Einwohner-Zentralamt Hamburg.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg erklärte am 15. Februar 2008 in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Antje Möller (GAL) diese Zahlung so:

„Das Einwohner-Zentralamt hatte in Amtshilfe für die Zentrale Abschiebungsstelle des Landes Sachsen-Anhalt Passersatzpapiere für Guineische Staatsangehörige beschafft und hierfür 16.000,- € verauslagt. Das Geld wurde einem autorisierten guineischen Behördenvertreter in bar gegen Quittung übergeben. Die Zentrale Abschiebungsstelle des Landes Sachsen-Anhalt hat den im Rahmen der Passersatzpapierbeschaffung von Hamburg verauslagten Betrag im Februar 2007 erstattet.“

Nicht immer genügte eine Überweisung nach Hamburg, um Passersatzpapiere zu bekommen, mitunter waren auch Reisen nach Übersee erforderlich. So heißt es in einem Aktenvermerk des Landkreises Harburg (Winsen/Luhe, Niedersachsen) vom 16.7.2008:

„Herr V., ZAAB BS/Langenhagen, teilte mit, das Mitarbeiter der ZAB Dortmund direkt nach Guinea fliegen um mit den Positivbescheinigungen der Botschaftsvorführung 2007 Ausreisepapiere für die Betroffenen zu bekommen (weil die Botschaft hier ohne Freiwilligkeitserklärung nichts ausstellt). Das Dokument würde unbegrenzt gültig sein und kann für eine Abschiebung genutzt werden.

Die Kosten hierfür betragen ca. 2.500,- Euro. Dafür müssten wir eine Kostenübernahmeerklärung abgeben.“

Dieser Aktenvermerk wurde dann behördenintern weitergeleitet an „Herrn K., mit der bitte um Entscheidung ob die Kostenzusage gegeben werden kann (auf dem „PEP-Konto“ befinden sich aktuell noch 7600,- Euro)“

Der Preis für ein guineisches Passersatzpapier scheint sich zwischenzeitlich bei 2.000 € eingependelt zu haben. So wurde lt. Antwort des Senats der Freien Hansestadt Bremen auf die Anfrage der Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE vom 10. November 2009 von der Bremer Ausländerbehörde in einem Fall für 2.000 € ein guineisches Passersatzpapier angefordert , und auch die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Braunschweig (heute Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen) hat nach einem Aktenvermerk vom 23.8.2007 2.000,- € für die Ausstellung eines Passersatzpapieres bezahlt .

Der niedersächsische Innenminister Schünemann teilte am 20.11.2009 auf die Kleine Anfrage der Cuxhavener SPD-Landtagsabgeordneten Daniela Behrens mit :

„Für Passersatzpapiere, die von der guineischen Botschaft ausgestellt werden, wird regelmäßig eine Gebühr von 45 Euro je Passersatzpapier erhoben. Für Passersatzpapiere, die im Jahr 2007 von der eigens zum Zweck der Identitätsprüfung eingereisten guineischen Delegation ausgestellt wurden, ist eine Gebühr von 250 Euro je Passersatzpapier festgesetzt worden. Werden weitergehende Nachforschungen in Guinea erforderlich, so wird von der guineischen Seite eine Gebühr von 2 000 Euro bzw. seit 2009 von 2 500 Euro je Passersatzpapier erhoben.“

Sodann lässt Schünemann auflisten, was angeblich in den vergangenen vier Jahren von der guineischen Seite an „Gebühren und Auslagen“ niedersächsischen Ausländerbehörden in Rechnung gestellt wurde. Die Auflistung ist mindestens hinsichtlich der dem Landkreis Harburg angeblich in Rechnung gestellten 50,- € nachweislich falsch, denn dort war ernsthaft erwogen worden, 2.500 € zu zahlen (s.o., Fn 4) und laut Akte wurden letztlich 500,- € in zwei Raten á 250,- € in Hamburg in bar bezahlt.

Man darf dem Herrn Innenminister da jetzt nicht böse sein, die Zahlungen des Landkreises Harburg waren selbst für den zahlenden Sachbearbeiter unübersichtlich (Aktenvermerke in einer Ausländerakte des Landkreises Harburg vom 18.7.2008 und vom 28.7.2008) :

„Vermerk:

Für das PEP-Verfahren des … … habe ich der Hansestadt HH, Herrn N., 250,- € aus „eigener Tasche“ gezahlt. Frau F. war Zeugin dieses Vorgangs. Eine Quittung gibt es (noch) nicht.“

„250,- Euro habe ich erneut bar Herrn G. am 28.7.2008 ausgehändigt.“

so dass sie später vom Vorgesetzten in einem „Nachtrag zum Vermerk“ der Übersichtlichkeit halber zusammengefasst werden mussten :

„Die ABH Hamburg hat sich ebenfalls an dem Flug nach Guinea beteiligt. Herr V. sprach am 18.7.08 persönlich bei der ABH in Hamburg vor und bat dort um Amtshilfe zur PEP-Beschaffung für …, da nach telefonischer Auskunft der ABH HH die Kosten wesentlich geringer sein würden als 2500,- €. Er erhielt eine mündliche Zusage für die Amtshilfe, die vorläufigen Gebühren von 250,- € legte er zunächst aus.

Am 28.7.08 konnte Herr V. das PEP in HH abholen. Die Gebühren beliefen sich auf insgesamt 500,- €.“

Nun wissen wir seit der Antwort des niedersächsischen Innenministers, dass bei der Zahlung von 2.000 € oder auch mal 2.500 € für ein Passersatzpapier alles mit rechten Dingen zugeht, denn das viele Geld wird ja für „weitergehende Nachforschungen in Guinea“ verwandt. Es ist gut das vom Herrn Innenminister zu erfahren, denn aus den jeweiligen Ausländerakten erfährt man es nicht.

Der Afrikaner, für dessen Passersatzpapier die in der Überschrift dieses Beitrags erwähnten 2.500,- € bezahlt wurden, war noch nicht einmal bei der Botschaft oder einer der dubiosen „Delegationen“ vorgeführt worden. Auch scheinen die „weitergehenden Nachforschungen in Guinea“ so umfassend – oder sollte man sagen uferlos ?- gewesen zu sein, dass sein Geburtsort im Passersatzpapier gar nicht mehr angegeben wurde.

Auch in dem Passersatzpapier, für das die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Braunschweig (heute Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen) nach einem Aktenvermerk vom 23.8.2007 2.000,- € zahlte , ist die Formularzeile für den Geburtsort nicht ausgefüllt.

Nach einem Aktenvermerk ist dieses Passersatzpapier „Gültig ab 05.03.2008 siehe PEP und Schriftverkehr im Tresor“.

Auch die guineische Seite will die schriftlichen Zeugnisse dieses Dokumentenhandels mittlerweile lieber wieder aus dem Verkehr ziehen. So berichtete ein junger Mandant, der am 18.11.2009 bei der Botschaft Guineas in Berlin vorgeführt wurde, dass der Konsularbeamte das von einem Mitarbeiter der ZAAB Niedersachsen vorgelegte Passersatzpapier einbehielt, es als falsch bezeichnete und erklärte, man werde das Passersatzpapier zerstören.

Den Landkreis Cuxhaven hingegen hielt sparsam, sturmfest und erdverwachsen an der mit viel Geld teuer festgestellten guineischen Staatsangehörigkeit fest und wollte meinen Mandanten, auf den sich das Zitat in der Überschrift dieses Artikels bezieht, ab 16.1.2010 nach Guinea abschieben. Dem hat nun die Republik Guinea selbst einen Riegel vorgeschoben:

Der Landkreis Cuxhaven teilte dem Verwaltungsgericht Stade mit Schreiben vom 1.2.2010 mit:

„Mit der „Verbalnote“ der Republik Guinea vom 15.12.2009, gerichtet an die Ausländerbehörden der Bundesrepublik Deutschland, wird mitgeteilt, dass aufgrund der schwierigen Situation in Guinea, „alle Aktionen hinsichtlich der Rücksendung von guineischen Bürgern nach Conakry, dem einzigen Einreiseflughafen, unterbunden werden“. Derzeit ist somit keine Rückführung möglich.“

Auf wessen Veranlassung dieser „Abschiebestopp“ erklärt wurde, bleibt offen.

Ähnliche Methoden der Passersatzpapierbeschaffung deuten sich auch bei Sierra Leone an: So schreibt das Bundespolizeipräsidium am 10. November 2008 an die Bremer Ausländerbehörde:

„Es ist daher beabsichtigt, einen Vertreter des Bundespolizeipräsidiums in Begleitung eines Sprachmittlers nach Sierra Leone reisen zu lassen, um die Dokumente abzuholen (…) Voraussichtlich entsteht pro beschafftes Dokument ein Kostenanteil von ca. 100,- € zuzüglich der Ausstellungsgebühren“

Und – ohne dass jemals eine Summe oder auch nur eine Größenordnung für die „Ausstellungsgebühren“ genannt wird – antwortet die Bremer Ausländerbehörde:

„Sie baten um Bestätigung der Kostenübernahme, die wir Ihnen hiermit ausdrücklich zusichern“

Einigen Verwaltungsgerichten sind diese Methoden der Passersatzpapierbeschaffung zu undurchsichtig:

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat bereits im Oktober 2008 zur Ermittlung der guineischen Staatsangehörigkeit anhand der Kopfform und der Bezahlung von 2.000 € pro Passersatzpapier festgestellt:

“Ein solches Verfahren unterliegt erheblichen rechtsstaatlichen Zweifeln (Art. 19 Abs. 4 GG) und ist nicht im Ansatz geeignet, eine Staatsangehörigkeit festzulegen.“

Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen vom 8.1.2010 – 4 V 1306/09 – zu einer Vorführung bei „Vertretern“ Sierra Leones begründen diverse im Beschluss näher dargestellte „Ungereimtheiten grundsätzliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Ausstellung von Passersatzpapieren für Sierra Leone“ so dass diese Vorführung gestoppt wurde.

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