Sonderheft 125 – Psychotherapie zu Dritt

heft125Psychotherapie zu Dritt
über die Arbeit mit Dolmetschern in therapeutischen Gesprächen

beim Flüchtlingsrat vergriffen, aber bestellbar bei:

Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen (NTFN) e.V.

Marienstraße 28
30171 Hannover
ntfn-ev@web.de

homepage: ntfn.de

 


Inhaltsverzeichnis

  • Vorwort (Gertrud Corman-Bergau)
  • Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen (Karin Loos)
  • Raum für den Dritten “ Sprachmittler in der Therapie von Flüchtlingen (Martina Ruf, Maggie Schauer, Thomas Elbert)
  • Frau D. aus der Türkei (Dr. Gisela Penteker)
  • Psychotherapie zu Dritt die Möglichkeit der scheinbar unmöglichen Annäherung (Dr. Sabine von der Luehe)
  • Herr K. aus dem Kosovo (Karim Al Wasiti)
  • Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer dolmetschergestützten Psychotherapie “ ein Erfahrungsbericht (Hajo Engbers)
  • Arbeit mit Dolmetschern “ Anforderungen an die Regelversorgung Erfahrungen aus der ambulanten Praxis (Interview mit der Psychotherapeutin Frau Dr. Radtke)
  • Die Macht der Sprache in der Psychotherapie Betrachtungen aus Sicht des Psychotherapeuten und aus Sicht der Dolmetscherin (Dr. Michael Brune, Emine Akbayir)
  • Herr S. aus Sri Lanka (Pegah Kiandoust)
  • „Nur der Anfang ist schwer“ (Gespräch mit Ardiana Berisha, Dolmetscherin)
  • Sprachrohr oder Menschenfl üsterer? Dolmetschen in der Therapie (Elena Nowak)
  • Gedanken einer Patientin
  • Dolmetschervereinbarung des Berliner Zentrums für Folteropfer
  • Sozialleistungen zur Finanzierung einer ambulanten Psychotherapie für Flüchtlinge, einschließlich notwendiger Fahrt- und Dolmetscherkosten (Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin)
  • Beispiel einer Klage zur Kostenübernahme von Dolmetscherkosten
  • Literatur
  • Anhang
  • Flyer des Netzwerk für traumtisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e. V.

Vorwort

Dipl.Psych. Gertrud Corman-Bergau
Vizepräsidentin der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen
Beirat Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen

Im vorliegenden Buch sind Beiträge zusammengestellt, die sich um die Fragestellung der psychotherapeutischen Arbeit mithilfe von Dolmetschern beschäftigen.

Das Recht auf eine angemessene Behandlung für Menschen, die selbst oder deren Angehörige schwere Traumatisierungen durch Krieg, Folter, Flucht oder Ver treibung erlitten haben, stellt unsere Kompetenz des Verstehens auf den Prüfstand.

Sich in der eigenen Muttersprache verständlich machen zu können, vor allem wenn es um emotional bedeutsames Geschehen geht, kann als ein grundlegendes Menschen recht angesehen werden.

Für ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen ebenso wie für Kinder- und Jugendlichen- PsychotherapeutInnen stellt sich die Problematik der Sprache in besonderem Maße. In der Versorgung der PatientInnen jedoch und in der Zulassung von PsychotherapeutInnen zur Behandlung fi nden Sprachkenntnisse keine Berücksichtigung. Anträge auf Sonderbedarfszulassungen aufgrund besonderer Sprachkenntnisse wurden in der Vergangenheit ablehnend beschieden.

So stellt sich die Frage nach der Einbindung von Dolmetschern in eine Psycho therapie auf lange Sicht. Wir müssen dem Bedürfnis und der Notwendigkeit des Verstehens zwischen BehandlerIn und PatientIn Rechnung tragen und Konzepte fi nden, die es Menschen aus anderem Sprachraum ermöglicht, hier eine qualifi zierte und gute Behandlung zu finden.

Im psychotherapeutischen Rahmen, in welchem die Beziehung und das Sprechen über das innere Erleben eine zentrale Rolle spielt, galt der Einsatz von Dolmetschern lange Zeit eher als Störvariable und fand wenig Beachtung. Umso wichtiger erscheint nun, Berichte und Refl ektionen aus der Praxis zusammenzufügen, um so den Austausch anzuregen.

Karin Loos vom Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen beschreibt Rahmenbedingungen, unter denen Menschen in Niedersachsen leben: Als Hilfesuchende und PatientInnen ebenso wie als BehandlerInnen und ExpertInnen im Bereich der Flüchtlingsarbeitund welche Schwierigkeiten sie in diesen Zusammenhängen regelmäßig antreffen.

Eine Konzeptualisierung der Arbeit mit Dolmetschern gelingt Martina Ruf, Maggi Schauer und Thomas Elbert von der Psychologischen Forschungs- und Modellambulanz der Universität Konstanz. Der Beitrag von Emine Akbayir und Dr. Michael Brune, die in Hamburg arbeiten, zeugt von vielfältiger Erfahrung im Setting zu dritt. Er geht aus von Sprache als einem Machtfaktor in der Beziehung und schildert sehr genau, die Anforderungen und die Fallstricke, die sich sowohl für den Dolmetscher wie auch den Psychotherapeuten ergeben können.

Ein Interview mit Frau Dr. Radtke ergibt ergänzende Einblicke.

Sabine v.d. Lühe, ebenfalls in Norddeutschland, auch als Supervisorin tätig, setzt sich in ihrem Beitrag mit der mitfühlenden und mitdenkenden Resonanz der Psychotherapeutin auseinander und erklärt, wann durch den Einsatz von Dolmetschern die vertrauensvolle Beziehung nicht gefährdet, sondern überhaupt erst ermöglich werden kann. Auch sie stellt klare Regeln auf, die in diesem Setting gelten müssen.

Die Anforderungen an die Dolmetscher und vertragliche Regelungen für diese Tätigkeit vom Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin werden vorgestellt. Elena Nowak, Hajo Engbers, Pegal Kiandoust, Karim Al Wasiti, Ardiana Berisha und Dr. Gisela Penteker bereichern den Reader über konkrete Fallschilderungen und Behandlungsprozesse, nebenbei scheinen wir mit ihnen bzw. den PatientInnen um die halbe Welt zu reisen. Umfänglich und kritisch stellt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin die rechtlichen Rahmenbedingungen ebenso wie konkrete Vorgehensweisen in der Behandlung von Menschen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus dar. Dabei legt er auch den Finger auf die Wunde struktureller Unzulänglichkeiten in der Versorgung.

Zuletzt finden sich zahlreiche Literaturhinweise, die das weitere Studium der Materie ermöglichen. Im somatischen Bereich der Medizin ist der Einsatz von Dolmetschern schon seit vielen Jahren üblich, jedoch auch hier fehlt es noch an gesetzlichen Grundlagen zur Finanzierung von Dolmetscherleistungen im Gesundheitssystem. Umso wichtiger ist die Notwendigkeit eine Forderung nach gesetzlichen Grundlagen durch sach- und fachkundige Erfahrungen zu untermauern und zu konzeptualisieren. Dafür leistet der vorliegende Reader einen sehr guten Beitrag. Ich wünsche ihm eine breite Leserschaft.

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