Heft 126 – Gemeinsames Heft der Flüchtlingsräte

Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge:
Zwischen Bleiberecht und Abschiebung

Flüchtlingsschutz und Menschenrechte:
60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Wenn Menschen auf der Flucht unerlaubt Grenzen zu überqueren versuchen und in einem anderen Land Schutz vor Verfolgung und Rechte einfordern, stoßen sie oft auf Hindernisse und Bedingungen, die ihren Hoffnungen auf ein neues, menschenwürdiges Leben nicht entsprechen. Die Lebenssituation von Flüchtlingen ist ein wichtiger Indikator für die Frage, wie es um die Menschenrechte in Deutschland bestellt ist.

Im ersten Block geht es um die Aufnahmebedingungen: Beate Selders beschreibt die Auswirkungen der Residenzpflicht auf Flüchtlinge und die Frage des Bleiberechts. Tobias Pieper analysiert die Lagerunterbringung in Deutschland (und Europa) als ein System der Kontrolle und Entrechtung von Migranten/innen. Steffen Dittes verdeutlicht dies am Beispiel der vom Land Thüringen betriebenen Ghettoisierungspolitik gegenüber Flüchtlingen, und die Flüchtlingsselbstorganisation The Voice beschreibt ihren Kampf gegen die menschenunwürdige Unterbringung im Lager Katzhütte. Im zweiten Block geht es um Sozialpolitik: Bernd Mesovic kommentiert den blanken Zynismus einer Bundesregierung, die auch noch nach 15 Jahren Asylbewerberleistungsgesetz keine Notwendigkeit für eine inflationsbedingte Anpassung der Leistungssätze zu erkennen vermag. Diana Lindner kritisiert die unzureichende Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (nicht nur) in Sachsen-Anhalt. Dass es auch Fortschritte gibt, beschreibt Martin Link in seinem Aufsatz über eine am Arbeitsmarkt ansetzende Integrationspolitik für bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge.

Zwischen Bleiberecht und Abschiebung befinden sich nach wie vor mehr als 100.000 geduldete und rund 50.000 Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ in Deutschland. Timmo Scherenberg beschreibt die Deutschlandkarte zum Bleiberecht und die Gefahr eines Leerlaufens der gesetzlichen Regelung aufgrund allzu restriktiver Bedingungen. Die Flüchtlingsräte Berlin, Hamburg, Hessen und Niedersachsen dokumentieren Kämpfe um das Recht auf Rückkehr von Flüchtlingen, die bereits abgeschoben wurden. Für das Bleiberecht der Familie Sefa setzt sich der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt ein. Anlässlich der Innenministerkonferenz im November in Potsdam hat die JOG Hamburgs Innensenator Ahlhaus zum Abschiebeminister 2008 gekürt. Reiner Mattern von der Schweizer Flüchtlingshilfe SFH liefert Hintergrundinformationen zur Forderungen nach einem Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo, deren Abschiebung nach dem Rückzug der UNMIK befürchtet werden muss.

Dr. Gisela Penteker fordert unter Verweis auf die Beschlüsse des Deutschen ßrztetages, dass ßrztinnen und ßrzte ihren Eid ernst nehmen und sich nicht im Rahmen von „Flugreisetauglichkeitsprüfungen“ als Abschiebungsgehilfen instrumentalisieren lassen sollen. Dass die behördlicherseits mit Strafverfahren, Botschaftsvorführungen, Wohnungsdurchsuchungen und anderen Schikanen überzogenen Flüchtlinge, die man mangels Pass nicht abschieben kann, gute Chancen haben, sich dagegen gerichtlich zur Wehr zu setzen, verdeutlicht der Aufsatz von Peter Fahlbusch. Albrecht Kieser skandalisiert die Praxis der Forderung von DNA-Tests und ihre gesetzliche Legitimierung als Bedingung für eine Familienzusammenführung. Klaudia Dolk berichtet über Vorstöße der EU-Kommission, die die mangelhafte Harmonisierung des materiellen Asylrechts in Europa kritisiert und ßnderungen der DUBLIN II “ Verordnung fordert. Prof. Dr. Holger Hoffmann beklagt die verpasste Chance, im Rahmen der EU-Rückführungsrichtlinie menschenrechtliche Standards im sensiblen Bereich von Abschiebung und Haft zu implementieren. Ein Bericht über eine Aktion in Magdeburg im Rahmen des „Aktionstags gegen Abschiebungen“ am 30. August schließt das Kapitel ab.

60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nimmt Wolf Dieter Narr zum Anlass, die Flüchtlingspolitik Europas unter die Lupe zu nehmen. Heiko Kauffmann und Claudia Curio geben einen Kurzbericht zu der Tagung „Festung Europa – Flüchtlingsschutz und Menschenrechte 70 Jahre nach der Konferenz von Evian“. Die Abschlusserklärung zur Tagung geben wir im Wortlaut wider. Die anschließend beispielhaft dargestellte Flüchtlingsselbsthilfeorganisation „Kargah e.V.“ und seine Projekte in Hannover verdeutlicht, dass Flüchtlinge in Deutschland trotz widriger Bedingungen eigene Strukturen aufgebaut haben und professionelle interkulturelle Arbeit leisten. Am Ende dokumentieren wir den nachdenklichen Redebeitrag von Angelika von Loeper, in dem sie ihre ambivalenten Gefühle und Gedanken anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz zum Ausdruck bringt.

2009 stehen in Deutschland nicht nur Europa- und Bundestagswahlen an, in vielen Bundesländern werden auch die Landtage und Kommunalparlamente neu gewählt. Eine Fülle von Stoff findet sich in diesem Heft als Anregung für Aktionen und Veranstaltungen 2009. Die Flüchtlingsräte und vor allem die Flüchtlinge brauchen Ihre/eure Unterstützung.

Doreen Klamann, Angelika von Loeper, Frauke Sonnenburg, Kai Weber

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