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Zum
neuen Lagebericht Türkei des Auswärtigen Amts vom 7. Sept. 99 |
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von Claudia Gayer |
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Es gab gute Gründe, gespannt auf den neuen Lagebericht Türkei des Auswärtigen Amts zu sein. Schließlich wurde nach dem peinlichen Debakel um die Lageeinschätzung zum Kosovo ein "neuer Stil" angekündigt. Man erinnere sich: die NATO bombte in Jugoslawien die Menschenrechte herbei, deutsche Minister zogen öffentlich Vergleiche zwischen der Vertreibung der Kosovo-Albaner und dem Holocaust; derweil wurden die Asylanträge von Kosovaren mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine staatliche Verfolgung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit im Kosovo. Die Asylentscheider stützten sich dabei auf den damals gültigen Bericht des Außenamts. Ob des offensichtlichen Widerspruchs zwischen Kriegsbegründung und Asylpolitik musste Staatssekretär Volmer peinlich berührt eingestehen, dass beim Verfassen des Lageberichts wohl innenpolitische Erwägungen eine Rolle gespielt hatten. Das Papier verschwand im Reißwolf und man gelobte eifrig Besserung. Künftig wolle man Wertungen unterlassen und nur noch aslyrelevante Fakten aneinander reihen, Interpretationen den Gerichten und dem BAFl überlassen und die Lage der Menschenrechte stärker betonen. Nach den offiziellen Ankündigungen sollte der Türkei-Bericht der erste mit originär rot-grünem Stempel werden. Noch mehr Gründe gab es allerdings, die Hoffnungen nicht allzu hoch anzusetzen. Spätestens seit Fischers Besuch in der Türkei, der sich durch die elegante Umschiffung des Themas Menschenrechte auszeichnete, war klar, dass auch Rot-Grün die Türkei nicht all zu sehr mit unbequemen Themen verstimmen würde. Zwar erhob der Außenminister den Menschenrechtsverein IHD durch seinen Besuch in den Rang eines offiziellen Gesprächpartners; gegenüber Demirel, Ecevit und Co. schlug er allerdings nur sanfte Töne an. So sprach er zum Beispiel gemäß türkischer Sprachregelungen lediglich von einem "Problem im Südosten der Türkei, wo überwiegend Kurdischstämmige wohnen". Menschenrechtsverletzungen wurden nicht weiter thematisiert. Im Vordergrund stand dagegen die von Fischer angestrebte baldigste Aufnahme der Türkei in die EU. Bekommt man nun den neuen Lagebericht in die Finger - als Verschlusssache ist er öffentlich ja nicht zugänglich - muss man denn auch feststellen, dass hehren Worten nicht unbedingt auch eben solche Taten folgen. Gravierendes hat sich nicht geändert. Eine Revision der Lageeinschätzung ist nach wie vor nicht in Sicht. Neu und positiv ist allerdings, dass zahlreiche von NGOs recherchierten Fälle von Folter und Misshandlung an Abgeschobenen teils ausführlich beschrieben werden. Also fangen wir vor der Kritik mal mit den Verbesserungen an: Unter der Überschrift "Rückkehrgefährdung" werden einige Fälle von Kurden und Kurdinnen aufgezählt, die nach ihrer Abschiebung (strafrechtlich) verfolgt wurden und schwere Foltervorwürfe erhoben. Neun dieser Fälle wurden der Dokumentation "Von Deutschland in den türkischen Folterkeller" vom Nds. Flüchtlingsrat und PRO ASYL entnommen. Auch einige von amnesty international und Amke Dietert-Scheuer recherchierten Fälle werden beschrieben. Dies ist als Erfolg der hartnäckigen und gründlichen Arbeit der NGOs zu verbuchen. Auch wenn das Auswärtige Amt nur in insgesamt drei Fällen hinsichtlich der Foltervorwürfe das Qualitätsprädikat "glaubwürdig" vergibt und die anderen als "nicht verifizierbar" bezeichnet, werden doch ausführlich konkrete Verfolgungsmuster beschrieben: Festnahmen, Inhaftierungen, Anklagen und z.T. Verurteilungen nach der Abschiebung - in den überwiegenden Fällen aufgrund exilpolitischer Aktivitäten niedrigschwelligen Profils. In fast allen Fällen handelt es sich um normal aktive Kurden - um einfache Mitläufer, die z.B. an Demonstrationen und Veranstaltungen teilgenommen hatten. Dass das Auswärtige Amt unter dem neu eingefügten Punkt II 4. "Exilpolitisches Verhalten" dann doch wieder die Uralt-Formulierung der letzten Berichte wiederholt, nach der sich die Verfolgung besonders auf Personen in herausgehobenen politischen Positionen konzentriert, entspricht dem Stil dieses und der vorangegangenen Berichte. Zunächst werden Repressionen recht klar beschrieben, an anderer Stelle aber prompt wieder relativiert, auf dass nur nicht der Verdacht aufkomme, es könnte sich um ein asylrelevantes Verfolgungsmuster handeln. Positiv zu verzeichnen ist, dass eine inländische Fluchtalternative nicht mehr in jedem Fall angenommen wird: "Auch wenn die allgemeine Aussage nicht zutreffend ist, dass es in der Türkei für Kurden generell oder für Kurden aus dem südöstlichen Kurdengebiet oder auch nur für Kurden aus den Notstandsgebieten keine Ausweichmöglichkeiten mehr gebe, kann sie im Einzelfall durchaus zutreffen." Zwar schafft es das Auswärtige Amt, durch die verdrehte, doppelt negierte Aussage zunächst Verwirrung zu stiften, konkret bedeutet das aber, dass es nunmehr nicht genügt, Ablehnungen mit dem stereotypen Verweis auf die inländische Fluchtalternative - die neuerdings "Ausweichmöglichkeit" genannt wird - zu begründen. Hier sind ausdrücklich Einzelfallprüfungen gefordert. Korrigiert hat das Auswärtige Amt die jahrelang zäh wiederholte Einschätzung, Wehrpflichtige würden "regelmäßig nicht in ihrer Herkunftsregion eingesetzt". Spät kommt das Amt zur Einsicht: "Dabei werden türkische Staatsangehörige kurdischer Abstammung während ihres Wehrdienstes auch in ihrer Herkunftsregion eingesetzt." Die Lage der Menschenrechte hält das AA für nach wie vor "unbefriedigend". War sich das AA im letzten Bericht noch nicht sicher, ob die hehren Verlautbarungen und teils offenen Worte türkischer Politiker zu einer Verbesserung führen werden, so bilanziert es jetzt: "Die Änderung der Sprache hat bislang jedoch nicht zu einer neuen Menschenrechtspraxis geführt." Trotz der aufgezählten erfreulichen Verbesserungen wird der Bericht den großspurigen Ankündigungen eines neuen Stils im Auswärtigen Amt nicht gerecht. Im Großen und Ganzen wurde allenfalls alter Wein in neue Schläuche gefüllt, in vielen Passagen noch nicht mal das. Zu relevanten Themen finden sich die wortgleichen Satzbausteine, teils wurde nur an der Formulierung gefeilt, teils finden sich inhaltsgleiche Aussagen einfach an anderer Stelle. Mit Wertungen hat das Auswärtige Amt nicht gespart, und allein durch Auswahl und Anordnung von Fakten wurde ein sehr einseitiges Bild der Türkei konstruiert. Peinlich windet sich das AA um klare Aussagen herum bzw. relativiert diese an anderer Stelle wieder. Zu den Repressionen gegen vertriebene Kurden, die in den Slums westtürkischer Städte hausen, heißt es zum Beispiel zunächst: "In diesen Kurden-Siedlungen kommt es überdurchschnittlich häufig zu Polizeirazzien mit zahlreichen vorläufigen Festnahmen." Auch die Schilderungen von "zahlreichen Übergriffen" hält das AA für plausibel. Daraus sind aber bitte keine falschen Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese Maßnahmen seien zwar menschenrechtlich bedenklich, aber "nicht ethnisch motiviert oder definiert. Daran ändert nicht, dass an den fraglichen Orten überwiegend (wenn auch keinesfalls nur) Kurden diesem Risiko ausgesetzt sind (...)." Wie in den vorangegangenen Berichten bemüht sich das Auswärtige Amt, eine Verfolgung wegen der ethnischen Zugehörigkeit, sprich Gruppenverfolgung, auszuschließen. Obwohl es feststellt, dass kritische Äußerungen zur Kurdenfrage strafrechtlich sanktioniert werden und kurdisch-stämmigen Personen öfter in den Verdacht geraten, separatistisch tätig zu sein, obwohl ausführlich Repressionen gegen die Zivilbevölkerung im Südosten beschrieben werden, wird eine Verfolgung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit - jeweils dick unterstrichen - kategorisch verneint. Als potentielle Separatisten verfolgt der türkische Staat nach dieser Sichtweise lediglich das Individuum, nicht Kurden. Es sei es durchaus möglich, unbehelligt als Kurde in der Türkei zu leben: "Im Westen der Türkei und an der Südküste leben die Hälfte bis annähernd zwei Drittel der kurdischstämmigen Bevölkerung in friedlich assimiliertem Zustand". Richtig ist sicher, dass auch Kurdinnen und Kurden in der Türkei ohne Probleme leben und auch in hochrangigen Positionen tätig sein können - auch wenn es sicher nicht zwei Drittel der Kurden sind und der Begriff "friedlich assimiliert" ziemlich fehl am Platz ist. Voraussetzung ihres ungestörten Lebens ist nämlich die völlige Assimilation und ein Verzicht auf jedes Bekenntnis zu ihrer ethnischen Herkunft, also die Aufgabe grundlegender demokratischer Rechte. So stellt auch das Auswärtige Amt fest: "Personen, die in Wort oder Schrift für eine kurdische Autonomie, d.h. für eine kurdische Selbstverwaltung innerhalb des türkischen Staatsverbands eintreten oder Forderungen nach kultureller Eigenständigkeit erheben, riskieren, wegen 'separatistischer Propaganda' bestraft zu werden." Eine logische Schlussfolgerung daraus wäre also, eine Gruppenverfolgung von nicht assimilierten Kurden festzustellen. Da fragt man sich schon, ob nicht doch innerministerielle Tinte aufs Papier geflossen ist. Klare Worte findet das AA, wenn es um eine Beurteilung der PKK geht: Konsequent wird sie - im Unterschied zu den türkischen Sicherheitskräften - als "terroristisch" bezeichnet. Die kurdische Bevölkerung werde von ihr "erpresst, drangsaliert oder getötet, wenn sie der PKK die Unterstützung verweigert oder den Staat im Kampf gegen die PKK aktiv unterstützt". Dabei nehme die PKK keine Rücksicht auf Geschlecht, Volkszugehörigkeit und Lebensalter ihrer Opfer. Im Übrigen sei die PKK "rückwärtsgewandt und ungeeignet, politisch-kuturellen Anliegen der türkischen Kurden ausreichend inneren Zusammenhalt und vor allem die unerlässliche Legitimität zu geben". Entsprechende Beschreibungen des staatlichen Terrors sucht man vergeblich. Kommt die Sprache auf den türkischen Staat, schlägt das AA geradezu zartfühlende und psychologisierende Töne an. Da ist (wörtlich!) von einem "Geburtstrauma" die Rede, das der Türkei in den Gründerjahren so stark zugesetzt habe, dass sie - aus Angst vor territorialer Zersplitterung - nicht in der Lage sei, mit Minderheiten umzugehen. Nach Einschätzung des AA ist die Türkei ein demokratischer Staat mit einer demokratischen Verfassung, die die Grundfreiheiten und Unabhängigkeit der Gerichte garantiere. Problematisch sei allerdings, dass die Sicherheitskräfte in ihrem Einsatz gegen den Terror selbst geltendes Recht nur unbefriedigend beachteten, sprich ab und zu über Strenge schlagen. Aber: "Der Staat distanziert sich regelmäßig von den Ungesetzlichkeiten untergeordneter Organe." Damit wird eine Trennung von Staat und Sicherheitsorganen suggeriert, die es tatsächlich nicht gibt. Sicherheitskräfte sind ein integraler Bestandteil des türkischen Staates. Auch wenn sie und das Militär ein vom Nationalen Sicherheitsrat kontrolliertes Eigenleben führen, so wird dieses doch immer wieder parlamentarisch legitimiert. Die Tatsache, dass in der Türkei nicht der Staat das Militär, sondern das Militär den Staat dirigiert, spricht ja gerade für die erheblichen Defizite im Bereich Demokratie. Bezüglich der Verfassung sollte das AA sich einmal mit dem obersten Richter der Türkei, Sami Selcuk, unterhalten. Der hat in einer vernichtenden Rede am 6. Sept. 99 die Verfassung als undemokratisch und unwürdig bezeichnet - zum Entsetzen von Staatspräsident Demirel. Die Grundlagen für Folter und Misshandlung - vom AA beschönigend als "Übergriffe" bezeichnet - wurden ebenfalls vom Staat geschaffen. Die Incommunicadohaft, während der auch nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts Misshandlungen besonders wahrscheinlich sind, da der Betroffene keinen Zugang auf einen Rechtsbeistand hat, basiert auf rechtlichen Grundlagen. Die Folterer gehen, sofern es überhaupt zu Ermittlungsverfahren kommt, meist straffrei aus. Oft reichen die Folteropfer aus Angst vor weiterer Verfolgung - auch ihrer Angehörigen - keine offzielle Beschwerde ein. Menschenrechtler bezeichnen die Folter als eine Säule des Staates. Kürzlich äußerte sich auch der stellvertretende Staatssekretär des Innenministeriums, Sami Sönmez, in ähnlicher Weise, wenn auch mit anderer Intention. Er warnte im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vor höheren Strafen gegen folternde Polizisten. Ohne Straffreiheit wäre die Polizei "handlungsunfähig"!! Deutlicher geht es kaum. Manche Einschätzungen im Lagebericht zeugen von geradezu haarsträubendem Zynismus. Obwohl das Auswärtige Amt feststellt, dass im Südosten Angehörige von mutmaßlichen PKK-Kämpfern misshandelt werden, heißt es an anderer Stelle: "Es gibt keine 'Sippenhaft'. Familienangehörige können allerdings zu Vernehmungen geladen werden, z.B. über den Aufenthalt von Verdächtigen. Das Recht auf Aussageverweigerung ist gewährleistet." Sehr geehrte Festgenommenen, wir foltern Sie jetzt ein bisschen. Sie haben aber das Recht, Ihre Aussage zu verweigern... Auch im Teil zur politischen Lage zählt das AA nur selektiv Fakten auf. So wird beispielsweise kein Wort über die massive Wahlbehinderung der prokurdischen HADEP und über die gravierenden Rechtsverstöße im Verfahren gegen Abdullah Öcalan verloren. Von einer realistischen
und ehrlichen Einschätzung der Lage in der Türkei ist das Auswärtige
Amt also weit entfernt. Innenpolitische Interessen und außenpolitisches
Kalkül standen auch dem neuen Lagebericht zur Türkei als Paten
zur Seite. Kriege, Verfolgung, Folter und Flucht lassen sich allerdings
nicht weg und schön reden. Das zeigen die Opfer, die zahlreichen
Flüchtlinge, Inhaftierten und die nach ihrer Abschiebung erneut Verfolgten.
Auch mit dem neuen Lagebericht wird das Auswärtige Amt seiner Verantwortung
für die Menschen, die in der Bundesrepublik Schutz suchen, nicht
gerecht. |
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Copyright © 2000 Kommentare und Verbesserungsvorschläge
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