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Dieter Oberndörfer

Humanisierung der Arbeitsberechtigung und Aufenthaltserlaubnis für „geduldete“ Ausländer

Zentral für die Verhinderung von Integration sind die Hürden für den Arbeitsmarktzugang

Nach Artikel 25 des Aufenthaltsgesetzes wird die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis für „geduldete“ Ausländer ermöglicht. Ihnen „kann“ aus humanitären Gründen nach Ablauf von 18 Monaten ausgesetzter Abschiebung eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt werden. Sie „soll“ nach drei Jahren in ein unbegrenztes Niederlassungsrecht verfestigt werden. Die Behörden haben von dieser Regelung bisher nur überaus zögerlich Gebrauch gemacht.
Es handelt sich dabei in weitem Umfange um Ermessensentscheidungen von oft auf Ablehnung und Abschiebung getrimmten Landesbehörden. Negativ wirkt sich zudem aus, dass eine Arbeitsgenehmigung für Geduldete nicht mehr von den Arbeitsämtern sondern von den auf Abwehr programmierten Ausländerbehörden erteilt wird. Ohne Nachweis einer regelmäßigen Arbeit und bei Bezug reduzierter Sozialhilfe nach dem „Asylbewerberleistungsge-setz“ wird jedoch die Chance der Gewährung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis mit folgendem Niederlassungsrecht extrem gering. Gleiches gilt für eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Auch hier hängt der Übergang in ein unbefristetes Niederlassungsrecht vom Nachweis regelmäßiger Arbeit und des Nichtbezugs staatlicher Sozialhilfe ab. Am Jahresende 2004 waren sechzig Prozent der in der amtlichen Statistik aufgeführten 202.000 „Geduldeten“ seit über fünf Jahren und von ihnen wiederum die Hälfte sogar schon mehr als zehn Jahre in Deutschland. Diese Zahlen zeigen, dass der Übergang in eine Aufenthaltserlaubnis bislang nur wenigen längerfristig Geduldeten gewährt wurde. Zentral für die Ausgrenzung der Geduldeten und Verhinderung ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft sind die Hürden für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt. Erst nach einjährigem Aufenthalt in Deutschland, nach Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit und einer so genannten „Vorrangprüfung“ kann eine Arbeitserlaubnis erteilt werden d.h. erst wenn feststeht, dass kein Deutscher oder Ausländer mit Arbeitsberechtigung zur Übernahme der Arbeit gefunden wurde, um die sich der geduldete Ausländer beworben hatte, kann die Arbeitserlaubnis gewährt werden. Viele Arbeitgeber werden durch die langen Prüfzeiten von vier bis sechs Wochen und mehr entmutigt, Geduldete einzustellen.

Unverständliche Negativlisten der Arbeitsbehörden

Die Arbeitsbehörden haben Negativlisten von Tätigkeiten, die Geduldeten bisweilen verwehrt sind. Zu ihnen gehören vor allem die so genannten Helferberufe – Tätigkeiten vor allem im Gaststättengewerbe oder in der Krankenversorgung. Geduldete werden also bei Bedarf von vorne herein von Arbeitsbereichen ausgeschlossen, in denen sie besonders gute Chancen hätten, einen Arbeitsplatz zu finden. Die gewährte Arbeitserlaubnis bleibt in der Regel befristet. Sie kann sogar auf bestimmte Betriebe beschränkt bleiben. Extrem negativ für die Arbeitschancen der Geduldeten kann sich ihre Residenzpflicht auswirken. Sie dürfen das Bundesland bzw. den Landkreis, in dem sie leben, nicht verlassen. Selbst der Besuch von Verwandten außerhalb des ihnen zugewiesenen Residenzbereichs ist antrags- und genehmigungspflichtig. Sie werden dadurch regelmäßig behindert dabei, sich Arbeit außerhalb ihres Residenzbereichs zu suchen oder zu übernehmen. Aber auch innerhalb ihres Residenzbereichs wird die Art und der zeitliche Umfang ihrer Beschäftigung in ihren Ausweisen genau definiert.

Trotz hoher Bildung – Arbeitsplätze auf niedrigem Niveau

Viele Geduldete haben ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau. Sie sind aber dennoch durchaus bereit, auch auf niedrigerem Niveau in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Trotz Statusverlust eröffnet sich ihnen hierdurch die Möglichkeit zu einem bescheidenen eigenen Einkommen und gesellschaftlicher Anerkennung – zum Ausbruch aus dem Ghetto eines passiven, psychologisch frustrierenden Empfängerdaseins bei stark eingeschränkter Sozialhilfe. Besonders inhumane Folgen hat der Status der Duldung für Kinder und Jugendliche. Sie dürfen zwar allgemein bildende Schulen besuchen, nach Schulabschluss bleibt ihnen jedoch eine weitere Ausbildung verwehrt. Dass aber vor allem im Bereich der Helfertätigkeiten (Gaststätten, Erntehelfer, Krankenbetreuung) ein großes Potential an Arbeitsmöglichkeiten bereit steht ist unbestreitbar. Derzeit werden Jahr für jahr hunderttausende ausländischer Arbeitskräfte für Bereiche angeworben, in denen deutsche Kräfte fehlen (z.B. Landwirtschaft, Altenversorgung). Dies geschieht über so genannte Aufnahmestoppausnahmeverordnung (2003 = 340 Anwerbungen). Schon aus der Perspektive des Steuerzahlers ist es unverständlich, dass den Geduldeten die durchaus vorhandenen Möglichkeiten ihrer Selbstfinanzierung durch eigene Arbeit verwehrt wird.
Dass den Geduldeten, die sich seit vielen Jahren in Deutschland aufhalten ein gesicherter Aufenthaltsstatus und der unbehinderte Zugang zum Arbeitsmarkt versagt bleiben und sie Dabei über Kettenduldungen immer länger zu Insassen des Gefängnisses der Duldung werden, ist unmenschlich. Ursprünglich sollten mit dem neuen Zuwanderungsgesetz Kettenduldungen verhindert werden. Daher war die Duldung im Regierungsentwurf zunächst nicht mehr vorgesehen. Sie wurde dann aber vom Gesetzgeber, nach der Formulierung des BMI, als „Instrument der Feinsteuerung doch wieder beibehalten. Ihre inhumanen Formen sind Teil eines generellen Abschreckungs- und Abschottungsinteresses der deutschen Ausländerpolitik.

Ausschöpfung von Handlungsspielräumen des Aufenthaltsgesetzes

Für die Integration der Geduldeten sollten daher zumindest die in § 25 Aufenthaltsgesetz enthaltenen Spielräume ausgeschöpft werden. Darüber hinaus muss jedoch für die Humanisierung der Lebenssituation der Geduldeten ihr Zugang zum Arbeitsmarkt liberalisiert und berechenbar werden. Die bisherige Diskriminierung der Geduldeten auf dem Arbeitsmarkt verhindert wie wenig anderes Ihre Integration. Unmittelbar mögliche nötige Reformen sind:
  • Zeitliche Begrenzung des Nachrangigkeitsprinzips nach einem Aufenthalt von drei Jahren.
  • Zeitliche Verkürzung der Prüflisten innerhalb der individuellen Arbeitsmarktprüfung auf eine Woche.
  • Abschaffung der bisweilen noch immer existierenden Negativlisten von Berufen für die regelmäßig keine Arbeitserlaubnis erteilt werden darf. Entscheidende Bedeutung für die erfolgreiche Integration der geduldeten hat fernen die Gewährung eines Bleiberechts nach längerem Aufenthalt.
Der Christdemokrat Dieter Oberndörfer ist em. Professor der Politikwissenschaften in Freiburg, war als migrations-politischer Berater verschiedner Bundesregierungen tätig und ist amtierender Vorsitzender des Rats für Migration (www.rat-fuer-migration.de)

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