Gazale darf nicht einreisen

Im Mai 2012 wurde erneut ein Visumsantrag abgelehnt. Die zirkelschlüssige Argumentation der deutschen Botschaft in Izmir ist an Zynismus kaum zu überbieten: Weil die im Jahr 2005 nach 17-jährigem Aufenthalt in Deutschland in die Türkei abgeschobene Gazale Salame dort nicht wirtschaftlich und familiär verankert sei, könne ihr ein Besuchsaufenthalt auch nach siebenjähriger erzwungener Trennung von ihrer Familie und ihren Kindern nicht erlaubt werden. Näheres hier.

Bereits im März 2009 ist ein Besuchsvisum  für Gazale Salame abgelehnt worden. Dazu hatten wir folgende Anmerkungen gemacht:

  1. Spätestens mit der im Rahmen ihrer Urteilsbegründung abgegebenen öffentlichen Erklärung der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer, der Fall „schreie“ geradezu nach einer politischen Lösung, steht fest, dass eine humanitäre Entscheidung nicht nur möglich, sondern auch angemessen und notwendig ist. Damit hat die oberste Verwaltungsrichterin den Ball ins Feld der Politik zurückgespielt.
  2. Eine denkbare Variante für eine pragmatische Entspannung der Situation wäre die Erteilung eines Besuchsvisums für Gazale Salame. Der Flüchtlingsrat hat mit Hilfe vieler Unterstützer/innen eine Bürgschaftserklärung vorgelegt, eine Krankenversicherung für Frau Salame abgeschlossen und sich bereit erklärt, eine finanzielle Sicherheitsleistung in der Türkei zu hinterlegen. Diese Lösung setzt freilich voraus, dass das Land Niedersachsen der deutschen Botschaft mitteilt, dass gegen die Erteilung eines Visums keine Einwände erhoben werden. Das Land hat sich leider – anders, als dies der HAZ-Artikel von heute nahe legt – in dieser Frage bislang nicht festgelegt. Die Landesregierung hätte es aber auch jetzt noch in der Hand, entsprechende Signale an die deutsche Botschaft zu schicken und darüber eine erneute ßberprüfung der Entscheidung herbeizuführen.
  3. Neben einer kurzfristigen Visumserteilung für Gazale im Rahmen eines Besuchsaufenthalts brauchen wir natürlich auch eine langfristige politische Lösung für eine dauerhafte Legalisierung und Familienzusammenführung in Deutschland.
    • Der Vorschlag der Präsidentin Eckertz-Höfer, Ahmed Siala eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 zu erteilen, hat den Pferdefuß, dass Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Paragraphen keinen Anspruch auf Familiennachzug haben.
    • Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben während der Verhandlung den Landkreis Hildesheim allerdings auch konkret gefragt, ob dieser bereit sei, Ahmed Siala eine Aufenthaltserlaubnis im Rahmen der Bleiberechtsregelung (§ 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 104a Abs. 2) zu erteilen, worauf der Landkreis erklärte, er könne in dieser Frage keine Erklärung ohne Rücksprache mit dem niedersächsischen Innenministerium abgeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23,1 AufenthG beinhaltet auch das Recht auf Familiennachzug.
    • Eine konkrete Lösungsmöglichkeit bietet darüber hinaus der § 22 AufenthG, der dem Innenminister eine weitreichende Kompetenz für einzelfallbezogene Lösungen einräumt: „Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden“, heißt es dort.

Fazit: Nach der Ablehnung des Antrags auf ein Besuchsvisum ist die Landesregierung gefordert zu handeln. Sie hätte es in der Hand, kurzfristig eine humanitäre Lösung in dem Fall herbeitzuführen. Wir appellieren an das Land, das Verfahren nicht weiter in die Länge zu ziehen und dafür zu sorgen, dass Gazale mit den beiden Kindern Ghazi (3 Jahre) und Schams (6 Jahre) endlich wieder zu ihrer Familie nach Deutschland zurückkehren kann.

gez. Kai Weber

Auswärtiges Amt rechtfertigt Visumsablehnung Gazale Salame

Auswärtiges Amt lehnt Visumsantrag von Gazale Salame ab

Nachfolgend einige Zeitungsartikel zum Thema:

Gazale Salame darf nicht einreisen

“Istanbul/Hildesheim„ (lni/mak). Die vor vier Jahren als Schwangere in die Türkei abgeschobene Gazale Salame hat kein Besuchervisum für eine Rückkehr nach Deutschland erhalten. Einen entsprechenden Antrag habe das Generalkonsulat Izmir abgelehnt, sagte Salame am Mittwoch in Istanbul. In einem Schreiben sei ihr mitgeteilt worden, dass ihre Bereitschaft zur Rückreise aus Deutschland in die Türkei nicht ausreichend belegt sei. Salame hatte den Antrag nach dem Ende einer Wiedereinreisesperre gestellt. Sie zeigte sich sehr enttäuscht. „Ich will die Gesetze doch beachten. Wenn ich illegal nach Deutschland reisen wollte, hätte ich das doch vier Jahre lang machen können“, sagte sie.
Der Fall der Frau hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil sie 2005 mit ihrer Tochter aus Deutschland abgeschoben wurde. Ihr Mann brachte zu diesem Zeitpunkt die zwei älteren Kinder in die Schule, sie selbst war im dritten Monat schwanger. Unterstützer hatten mit Hungerstreiks gegen die Abschiebung der Frau protestiert. Gazale Salame wohnt seitdem mit ihrer inzwischen sechs Jahre alten Tochter und ihrem dreijährigen Sohn in Izmir. Ihr Mann Ahmed Siala lebt mit den zwei älteren Töchtern in Hildesheim. Auch er hat keine Aufenthaltsgenehmigung, wird aber geduldet.
Der Flüchtlingsrat reagierte gestern enttäuscht. „Das ist eine fatale Fehlentscheidung“, sagte Kai Weber. Hätte das Konsulat den Landkreis Hildesheim oder das Innenministerium gefragt, wäre die Entscheidung zugunsten von Gazale Salame ausgefallen. Nach Ansicht von Weber gibt es Signale aus dem Innenministerium, dass der ganze Fall im Sinne von Gazale Salame und Ahmed Siala sowie deren Kinder gelöst wird. Das Innenministerium wollte gestern dazu keine Stellung nehmen. „Wir warten zunächst die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts ab“, sagte Sprecher Frank Rasche. Das Leipziger Gericht hatte ein ablehnendes Urteil gegen das Bleiberecht von Ahmet Siala an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zurückgewiesen. (â?¦)

05.03.2009 / HAZ Seite 5 Ressort: NIED

Visumsantrag abgelehnt / Flüchtlingsrat hofft weiter auf humanitäre Lösung

Konsulat verweigert Gazale Salame die Einreise

(lv) Izmir/Landkreis. Die vor vier Jahren in die Türkei abgeschobene Gazale Salame hat für eine Rückkehr nach Deutschland kein Visum bekommen. Ihren Antrag vom 19. Februar beschied das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Izmir negativ.
Zur Begründung heißt es in dem Bescheid vom 20. Februar: „Die von Ihnen vorgelegten Unterlagen erlauben keine positiven Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer gesicherten Existenzgrundlage in der Türkei. Ihre Bereitschaft, vor oder mit Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums in die Türkei zurückzukehren, wird daher als eher gering angesehen.“ Auch die vorgelegte Verpflichtungserklärung könne eine fristgerechte Rückkehr nicht garantieren. Das beantragte Visum sei daher zu versagen gewesen.
Gazale Salame zeigte sich von der Entscheidung sehr enttäuscht. „Ich will die Gesetze doch beachten. Wenn ich illegal nach Deutschland reisen wollte, hätte ich das doch vier Jahre lang machen können“, sagte sie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
Wie mehrfach berichtet, war die im dritten Monat schwangere Salame zusammen mit ihrer jüngsten Tochter Schams vor vier Jahren ins türkische Izmir abgeschoben worden. Ihr Mann Ahmed Siala brachte zu der Zeit gerade die beiden älteren Töchter zur Schule. Siala kämpft seit Jahren um einen gesicherten Aufenthaltsstatus, zuletzt hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Fall an das Landesverwaltungsgericht zurückverwiesen und einen Vergleich empfohlen. Der Fall „schreit geradezu nach einer politischen Lösung“, sagte die Leipziger Gerichtspräsidentin.
Der Landkreis und das Land Niedersachsen wollen sich erst äußern, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Laut Kai Weber, Geschäftsführer des niedersächsischen Flüchtlingsrates, sei damit in zwei Monaten zu rechnen. Weber bedauert die Entscheidung des Konsulates und hofft, dass das Land eine humanitäre Lösung doch noch ermöglicht. „Der Flüchtlingsrat hat mit Hilfe vieler Unterstützer eine Bürgschaftserklärung vorgelegt, eine Krankenversicherung für Frau Salame abgeschlossen und sich bereit erklärt, eine finanzielle Sicherheitsleistung in der Türkei zu hinterlegen“, sagte Weber dem KEHRWIEDER. „Diese Lösung setzt freilich voraus, dass das Land der deutschen Botschaft mitteilt, dass gegen die Erteilung eines Visums keine Einwände erhoben werden.“ Die Möglichkeit einer Einreise könnte dann erneut geprüft werden.

Kommentar: Zynisch

Ungesicherte Existenz als Ablehnungsgrund

Man muss sich die Begründung des Konsulats auf der Zunge zergehen lassen: Gazale Salame habe keine gesicherte Existenzgrundlage in der Türkei nachweisen können. Ihre Bereitschaft, nach einem Besuch ihrer Familie in Deutschland wieder in die Türkei einzureisen, werde daher als gering angesehen. Nochmal langsam: Weil Gazale Salame isoliert in einem gammeligen Viertel in Izmir ohne sichere Existenzgrundlage lebt, muss sie genau dort bleiben. Wer hat ihr denn die Existenzgrundlage entzogen, nachdem sie 17 Jahre gesichert in Deutschland gelebt hat? Es war der Landkreis Hildesheim, der auf Geheiß des Landes Niedersachsen die damals schwangere 24-Jährige in ein fremdes Land abgeschoben hat, dessen Sprache sie nicht einmal spricht. Gazale Salame wurde dafür bestraft, dass ihre Eltern bei der Einreise falsche Angaben gemacht haben. Nun muss diese schreiende Ungerechtigkeit auch noch dafür herhalten, Gazale Salames unsichere Existenz zu zementieren. Das ist zynisch. Lothar Veit

KEHRWIEDER am Sonntag · 8. März 2009 · Seite 2

Kein Besuchervisum für Gazale Salame
Hildesheim: Flüchtlingsrat kämpft weiter um Zusammenleben kurdischer Familie

Von Reimar Paul

Die Bemühungen um ein Wiedersehen der Familie von Gazale Salame und Ahmed Siala haben erneut einen Rückschlag erlitten. Salame, die vor vier Jahren schwanger und mit ihrer jüngsten Tochter in die Türkei abgeschoben wurde, hat nach Angaben des Niedersächsischen Flüchtlingsrates kein Besuchervisum für Deutschland erhalten. „Wir wissen seit ein paar Tagen, daß das Konsulat in Izmir einen entsprechenden Antrag abgelehnt hat“, sagte Kai Weber von der Flüchtlingshilfeorganisation am Donnerstag gegenüber junge Welt.

„Wir sind natürlich bestürzt über die Entscheidung des Konsulates“, erklärte Weber weiter. Die deutsche Vertretung hatte gegen eine Visumsvergabe entschieden, weil sie die Bereitschaft Salames zu einer Rückkehr in die Türkei bezweifelt. Die Kurdin beteuert dagegen, sie habe sich an die Gesetze und Vorgaben halten wollen. Salame hatte auch deshalb auf einen positiven Bescheid des Konsulats gehofft, weil der Landkreis Hildesheim zuvor ein entsprechendes Signal gesetzt hatte. Die Kreisverwaltung, die Salame damals abgeschoben und ihrem Ehemann Siala das Aufenthaltsrecht entzogen hatte, hob zum 10. Februar die bestehende Wiedereinreisesperre gegen Salame auf.

Der Flüchtlingsrat will sich ungeachtet der Konsulatsentscheidung weiter dafür einsetzen, daß die Familie wieder in Deutschland zusammenleben kann. Die Ablehnung des Besuchervisums sei keine endgültige Entscheidung. „Wir stehen im Kontakt mit dem Innenministerium in Hannover“, sagte Weber. Er hoffe, daß das Ministerium auf das kürzlich verkündete Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes reagiere und den Weg für eine humanitäre Lösung des Dramas frei mache.

In dem Bleiberechtsverfahren von Ahmed Siala hatte das Gericht den Parteien einen Vergleich nahegelegt. Nach 24jährigem Aufenthalt in Deutschland habe der Mann ein nachvollziehbares Interesse, bleiben zu dürfen. „Der Fall schreit geradezu nach einer Lösung im Wege des Vergleichs“, so Gerichtspräsidentin Marion Eckertz-Höfer. Der Landkreis hatte das zunächst jedoch abgelehnt. Wohl auf Drängen des Landes, denn Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat mehrfach vor einem „Präzedenzfall“ gewarnt, sollte Gazale Salame zurückkehren dürfen.

Siala und Salame waren im Alter von sechs und sieben Jahren mit ihren Familien vor dem libanesischen Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen. Sie bekamen als staatenlose Kurden zunächst ein Bleiberecht. Später ermittelten die Behörden, daß die Väter der beiden in der Türkei geboren wurden und Registerauszügen zufolge somit noch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen. Dasselbe gelte für die Kinder. Die Eltern hätten dies bei der Einreise verschwiegen.

Seit der Abschiebung im Februar 2005 wohnt Gazale Salame mit ihrer inzwischen sechs Jahre alten Tochter und ihrem dreijährigen Sohn in einem Vorort von Izmir. Mehrfach haben ßrzte berichtet, daß es ihr gesundheitlich sehr schlecht geht und sie unter Depressionen leidet. Ahmed Siala lebt mit den zwei älteren Töchtern im Kreis Hildesheim.

jw 06.03.2009 / Inland / Seite 5

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