Landrat Bernhard Reuter (LK Göttingen) fordert neues Bleiberecht

Nachfolgend dokumentieren wir eine Pressemitteilung von Landrat Bernd Reuter, Landkreis Göttingen

Landrat fordert Änderung des Bleiberechtes
Bernhard Reuter hofft auf Koalitionsvertrag

Landrat Bernhard Reuter plädiert für die Änderung des Bleiberechts. In einem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten des Göttinger Wahlkreises bittet Reuter, die Bundesratsinitiative aus dem Frühjahr 2013 im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung festzuschreiben. „Wir brauchen ein zeitgemäßes Bleiberecht. Die Gesetze lassen den Ausländerbehörden viel zu wenig Spielraum. Nach geltender Rechtslage muss der Landkreis auch Menschen abschieben, die Deutschland ihre Heimat nennen, die Sprache ihres Herkunftslandes nicht sprechen, sich nichts zu Schulden kommen lassen und mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihr Leben bestreiten könnten“, so Reuter (Pressemeldung hier).

Die Initiative des Bundesrates sieht ein alters- und stichtagsunabhängiges Bleiberecht für langjährige Geduldete vor. Demnach sollen Ausländer eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten, die

  • sich mit minderjährigen Kindern mindestens sechs Jahre, und ohne minderjährige Kinder mindestens acht Jahre hier aufhalten,
  • über passable Deutschkenntnisse verfügen
  • ihren Lebensunterhalt – sofern nicht durch Alter, Krankheit oder Behinderung daran gehindert – durch Arbeit sichern oder dieses in absehbarer Zukunft tun werden,
  • einen Pass vorlegen oder sich vergeblich um einen Pass bemühen und
  • straffrei sind.

Diese Änderungen sind für Reuter aus humanitären Gründen unverzichtbar:

„Schaffen Sie die Voraussetzungen, dass sich die Ausländerbehörden vor Ort für Menschlichkeit entscheiden können und künftig keine unmenschlichen Entscheidungen mehr treffen und vollziehen müssen“, appelliert der Landrat an die MdB‘s Thomas Oppermann (SPD), Jürgen Trittin (Bündnis 90/ Die Grünen) und Fritz Güntzler (CDU).

Im Landkreis Göttingen gebe es über 40 Menschen, die nach derzeitiger Rechtslage sofort abgeschoben werden müssten. Um zu bleiben, bliebe ihnen nur der Gang zur niedersächsischen Härtefallkommission. Die Intention bei der Änderung der niedersächsischen Härtefallverordnung aus dem Sommer dieses Jahres sei richtig, so der Landrat. Sie beseitige aber die eigentlichen gesetzlichen Ursachen dieses Dilemmas nicht und führe dazu, dass die von Gesetzes wegen einwandfrei handelnden Ausländerbehörden durch Korrekturen der Kommission „den schwarzen Peter“ erhalten würden.

Kommentar:

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt die Pressemitteilung von Landrat Bernd Reuter (Landkreis Göttingen) und sein Anschreiben an Göttinger Bundestagsabgeordnete mit der Forderung nach einer neuen Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge. Landrat Reuters, der als Vorsitzender des niedersächsischen Landkreistags auch auf die weitere Meinungsbildung der kommunalen Spitzenverbände einigen Einfluss hat, ist zuzustimmen, wenn er beklagt, dass die Härtefallkommission die strukturellen Defizite eines unzureichenden gesetzlichen Rahmens nicht ausgleichen kann. Nach dem vorläufigen Scheitern des Bundesratsentwurfs für eine gesetzliche Bleiberechtsregelung in der letzten Legislaturperiode ist die Problematik der Kettenduldungen ja nicht verschwunden, sondern hat sich noch verschärft. Es wäre absolut unsinnig, zehntausende von Altfälle durch das Nadelör einer Prüfung im Härtefallverfahren führen zu wollen. Vor dem Hintergrund des sich auftürmenden Staus von Hunderten noch unbearbeiteten Einzelfallakten der Härtefallkommission wäre eine Entlastung durch eine gesetzliche Bleiberechtsregelung insofern überfällig.

Anders als Landrat Reuters behauptet, besteht aber auch auf kommunaler Ebene ein Handlungsspielraum, um im Einzelfall Lösungen herbeizuführen: Nach §25 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 8 EMRK ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis u.a. auch dann möglich, wenn eine Rückkehr nicht mehr zumutbar ist. Der frühere niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hatte den Ausländerbehörden verboten, diesen gesetzlichen Spielraum zu nutzen. Die neue Landesregierung hat angekündigt, mit dieser Praxis zu brechen und den Kommunen Spielräume für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ermessen einzuräumen. Schon jetzt sind einige Ausländerbehörden dazu übergegangen, in Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis an langjährig unter uns lebende Flüchtlinge wegen der Unzumutbarkeit einer Rückkehr zu erteilen. Eine großzügigere Auslegung der bestehenden Gesetze ersetzt kein neues Bleiberecht, kann aber zu einer Entschärfung der Problematik beitragen. Auch der Landkreis Göttingen ist gefordert, seine bisherige Verwaltungspraxis an diesem Punkt zu überdenken.

gez. Kai Weber

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!