Fall von Anuar und Bedir Naso ist gelöst! Rückkehr erfolgt in wenigen Wochen

Rückkehr von Anuar und Bedir Naso verschiebt sich um einige Wochen
Dank an Innenminister Pistorius

Hildesheim/Hannover 25. April. Nach traumatischen Erfahrungen in syrischen Folterkellern und einer mehr als zweijährigen Odyssee durch Europa dürfen Anuar und Bedir Naso zurück zu ihrer Familie nach Hildesheim. Der jahrelange Kampf der Familie Naso und ihrer Unterstützer:innen um eine Wiedervereinigung der durch Abschiebung auseinander gerissenen Familie nimmt damit ein glückliches Ende. Die Rückkehr verschiebt sich aber um zwei bis drei Wochen, da vor einer Visumserteilung noch technische Formalitäten zu regeln sind. Der Flüchtlingsrat dankt Innenminister Boris Pistorius dafür, dass er auch in diesem Fall eine Lösung im Sinne der betroffenen Flüchtlingsfamilie herbeiführt und damit eine jahrelange Hängepartie beendet.

Am 12. April empfing der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) eine Gruppe von Unterstützer:innen zu einem kurzen Gespräch. Er nahm die über 18.000 Unterschriften unter eine Petition von Change.org entgegen und sicherte seine Hilfe zu. Am 18. April erklärte der Landkreis Hildesheim sich öffentlich bereit, “in diesem besonderen Einzelfall zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte … die Zustimmung zur Erteilung des Visums [zu erteilen]”.

Schanas Naso kann ihr Glück noch nicht fassen: “Ich bin sprachlos. Unsere Familie war eine so lange Zeit auseinandergerissen. Ich danke der Landesregierung und allen, die mit dazu beigetragen haben, dass unser Fall nicht vergessen wird”, sagte die 21-jährige Schanas Naso heute in Hannover.

Verantwortlich für das Unglück der Familie waren der Landkreis Hildesheim und die Schünemann’sche Flüchtlingspolitik. Die Ausländerbehörde ließ die Familie mit einem Überaufgebot der Polizei in der Nacht zum 01. Februar 2011 überfallartig festnehmen und setzte die Abschiebung unter Inkaufnahme einer Familientrennung durch. Anuar und Bedir Naso wurden als eine der letzten Flüchtlinge kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs nach Syrien abgeschoben, obwohl das Innenministerium zuvor die Aussetzung der Abschiebung von jugendlichen Flüchtlingen mit “positiver Integrationsprognose” angeordnet hatte. Ein paar schlechte Kopfnoten hatten dem Landkreis Hildesheim ausgereicht, um dem damals 15-jährigen Anuar trotz guter Chancen auf einen Hauptschulabschluss eine angeblich mangelnde Integrationsperspektive zu bescheinigen. Nach seiner Ankunft in Syrien wurde Anuar mehr als vier Wochen inhaftiert und gefoltert, kam dann frei und schlug sich mit seinem Vater durch die Türkei bis nach Bulgarien durch.

In den folgenden zwei Jahren taten die Hildesheimer Ausländerbehörde und das niedersächsische Innenministerium unter Führung von Innenminister Schünemann alles, um eine humanitäre Lösung des Falls zu verhindern. Die Verfolgung und Misshandlung von Anuar Naso in Syrien wurde systematisch verharmlost, Anuar wurde zum Betrüger erklärt und für das ihm angetane Leid selbst verantwortlich gemacht.

Auch als ein bulgarisches Gericht den Vater Bedir trotz der insoweit eindeutigen Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention für seinen Versuch bestrafte, sich mit Anuar aus Bulgarien nach Deutschland zu seiner Familie durchzuschlagen, und ihn schließlich völkerrechtswidrig wegen “illegaler Grenzübertretung” zu einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe verurteilte, kannten die deutschen Behörden kein Erbarmen und verweigerten die Genehmigung für eine Aufnahme des in Bulgarien nun auf sich allein gestellten Anuar in Deutschland.

In einem Europa, das seinen Bürgern Reisefreiheit garantiert, sorgen die bulgarischen Behörden mit Billigung und Unterstützung deutscher Behörden dafür, dass innereuropäische Grenzen für Flüchtlinge nicht überwunden werden können – notfalls durch Kriminalisierung und Wegsperren.

Zehn lange Monate blieb Anuar allein in Bulgarien. Eingaben des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen wurden vom Innenministerium einfach nicht beantwortet, die Kritik von Menschen- und Kinderrechtlern verhallte ungehört, auch eine ganzseitige Reportage der “Süddeutschen Zeitung” führte zu keiner Korrektur. Der Landrat erklärte sich für unzuständig und verwies auf die deutsche Botschaft in Sofia, welche wiederum die Zustimmung des Landkreises Hildesheim zur Voraussetzung für eine Visumserteilung erklärte. Trotz vorliegender Originalunterlagen über die Registrierung der Familie in Syrien zweifelte der Landkreis das Alter von Anuar an und begründete damit seine Weigerung, den minderjährigen Jungen Anuar nach der Inhaftierung seines Vaters aufgrund eines gescheiterten Fluchtversuchs zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren zu lassen.

Doch die Unterstützer:innen ließen sich von den öffentlichen Falschdarstellungen des Landkreises nicht mundtot machen und starteten mit Unterstützung von Change.org eine eindrucksvolle Solidaritätskampagne. Mit einem Appell von Schanas Naso an den ehemaligen Ministerpräsidenten David McAllister protestierten über 18.000 Menschen gegen das Vorgehen der Behörden. Es folgten Facebook-Demos, E-Mail-Aktionen an den Landkreis Hildesheim, Hintergrundgespräche und ein persönliches Treffen mit David McAllister, der zwar eine Prüfung des Falls zusagte, eine Lösung in den letzten Tagen seiner Amtszeit aber nicht mehr durchsetzte. “Nach den Landtagswahlen habe ich die Petition dann an den neuen Innenminister Pistorius gerichtet und ihm die Unterschriften letzte Woche persönlich übergeben“, sagt Schanas. Jetzt hat sie es geschafft. Anuar und sein Vater dürfen nach Deutschland zurückkehren.

gez. Kai Weber

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