Über das Leben im Lager Blankenburg

Wortbeitrag von BewohnerInnen des Lagers Oldenburg-Blankenburg auf der Anhörung „Leben im Lager“ am 18.01.2008 in Oldenburg:

Blankenburg beim Klostermark befindet sich sieben Kilometer entfernt von der Stadt Oldenburg. Blankenburg ist ein AsylbewerberInnenlager. Alle verschiedenen Nationalitäten sind gezwungen in diesem Lager zu leben. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Familien, schwangere Frauen oder welche mit Neugeborenen, also alle zusammen befinden sich im Klostermark. Klostermark ist also kein Kloster, wie mensch vielleicht denken würde, es ist ein Flüchtlingslager. Dieser Ort, Blankenburg, ist für Tage, Monate, Jahre der Lebensmittelpunkt dieser Flüchtlinge.

Wie sind die Lebensbedingungen in Blankenburg?

Die Flüchtlinge sind auf mehrere Häuser aufgeteilt. In jedem Haus befinden sich mehrere Zimmer. Leider heißt das nicht, dass jeder Flüchtling ein Zimmer bekommt, es ist vielmehr so, dass in einem Zimmer ein bis fünf Flüchtlinge untergebracht sind, manchmal auch sechs oder sieben. Stellt euch die Folgen vor: Abschaffung des Privatlebens für diese Flüchtlinge. Außerdem entstehen Streitereien unter ihnen, die manchmal sogar blutig enden. Es ist leicht zu verstehen, ein Zimmer mit fünf, sechs oder sieben AsylbewerberInnen, die alle nicht die gleiche Sprache sprechen, folglich nicht miteinander kommunizieren können und sich so oft schlecht verstehen.

Wie sehen die Zimmer genau aus?

In jedem Zimmer gibt es mehrere Etagenbetten. Weiterhin gibt es einen Tisch, einige Stühle, zum Beispiel zwei oder drei, und Schränke. Im Zimmer gibt es keine Waschbecken, kein Radio, keinen Fernseher, ja eigentlich gar nichts. Nur die Flüchtlinge mit ihren Betten, Stühlen und ihrem Tisch. Da sind also die Flüchtlinge in ihren Zimmern. Es ist miserabel, unmenschlich, weil sie nicht das Recht auf eine Privatsphäre haben. In diesem Zimmer befinden sich auch noch Schränke. Außerdem können die Menschen von den Autoritäten alle Zimmer betreten, immer wenn sie es wollen. Tagsüber oder Nachts, Abends oder Morgens. Denn die Autoritäten haben die Kopien von allen Zimmerschlüsseln.

Wie ist die Kantine?

In diesem Gebäude auf dem Lagergelände sollen die Flüchtlinge essen. Aber zuerst, um dort hineingehen zu können und das Essen, was vorbereitet wurde essen zu können, müssen sich alle in eine Reihe stellen, also anstellen. Der Flüchtling muss seinen Kantinenausweis zeigen, der dann von einem Angestellten abgestempelt wird und dann kann er sich ein Essen aussuchen, alles auf einem Plastikteller, das ihm von der Essensausgabe ausgegeben wird.
Was ist das Essen, das wir von den Autoritäten zur Verfügung gestellt bekommen?
Nudeln oder Reis mit Tomatensuppe. Außerdem werden abgelaufene Joghurts ausgeteilt.
Der Essensplan ist immer der gleiche, jeden vergehenden Tag, jeden vergehenden Monat, jedes vergehende Jahr.
Das Essen ist schlecht zubereitet und ungenießbar, aber es gibt keine andere Wahl, es muss gegessen werden, was ausgegeben wird.
In dieser Kantine hören die Flüchtlinge oft rassistische ßußerungen, wie z.B. „Wenn du dieses Essen nicht willst, dann geh doch zurück zu dir nach Hause, denn solch ein gutes Essen wirst du dort nicht finden.“ Es ist schwer zu verstehen, wie mensch einen Menschen zwingen kann das immer das gleiche Essen zu essen, und das die ganze Zeit seines Lebens im Lager. Ein miserables Leben für die Flüchtlinge.

Wie ist die medizinische Versorgung?

Gibt es wirklich eine Medizinische Versorgung in Blankenburg?
Zuerst muss mensch Schlange stehen, weil wir sehr viele sind, die zum Arzt müssen. Danach musst du deinen Ausweis einer Dame, die in einem Vorraum ist, geben und wieder warten. Dann wirst du gerufen und du kannst sagen, welche Beschwerden du hast und musst wieder warten bis du an der Reihe bist. Leider wird deine Krankheit nicht behandelt, weil das einzige Medikament, das ein Flüchtling bekommt, Paracetamol*(*Paracetamol steht symbolisch für die Beschränkung der medizinischen Versorgung auf akute Schmerzbehandlung, die nicht für die Behandlung der eigentlichen Krankheit gedacht ist, z.B. Antidepressiva statt Traumatherapie) ist. Nur diese Tablette wird ausgeteilt. Du gehst weg mit dem Paracetamol und wenn du an einem anderen Tag wiederkommst um ihnen zu sagen, „hören sie mal, das hilft überhaupt nicht!“, dann heißt das Arzneimittel viel Wasser trinken.
Abschließend kann mensch also sagen, dass der Flüchtling überhaupt keine fachgerechte Gesundheitsversorgung erhält. Da ja einem Flüchtling nicht gestattet ist, sich einen Arzt aus der Stadt auszusuchen, ist es ihm nicht möglich, einen Facharzt zu konsultieren. Wenn die Krankheit besondere Aufmerksamkeit verlangt, dann gibt es allerdings eigentlich die Möglichkeit zu einem/r SpezialistIn geschickt zu werden. Wenn wir darauf bestehen einen Spezialisten zu sehen, gibt es einen bestimmten Punkt wo mensch zu einem Spezialisten geschickt wird. Außerdem wird dir ein Umschlag mitgegeben, dessen Inhalt mensch nicht kennt und später gibt mensch den Umschlag an den Spezialisten und er wird nur wenige Fragen stellen und dich danach zum Lager zurück schicken – ohne Behandlung. Und wenn mensch dann nachfragt, dann wird er sagen, dass mensch zurück zum Lager gehen soll und dort wird mensch Medizin bekommen. Und wenn mensch dann da ist, wird einem Paracetamol verabreicht. Und wenn mensch nicht nachlässt, dann werden sie dir erzählen, dass deine Krankheit so teuer ist, dass sie sie nicht behandeln können. Und außerdem, dass du mit der Krankheit leben kannst bis mensch abgeschoben wird, da sie glauben, dass jedeR in Blankenburg zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschoben wird.
Ein Flüchtling hat also keine Wahl, er muss mit seinen Beschwerden die ganze Zeit über im Lager leben.
Die einzige Wahl, die ihm bleibt, ist gegen seine Krankheit anzukämpfen und zu versuchen sich nicht von seiner Krankheit zerstören zu lassen. Abschließend kann mensch sagen, dass ein Flüchtling im Lager im Krankheitsfall auf sich selbst gestellt ist. So sieht also die medizinische Versorgung aus.

Reden wir vom Bus.

Aber wie oft fährt der Bus nach Blankenburg? Der erste Bus kommt um 9:00, danach um 10:00 und um 15:00. Die letzte Gelegenheit von dem Lager in die Stadt zu fahren ist dann um 16:00, danach fährt kein Bus mehr aus Blankenburg in die Stadt. Die letzte Gelegenheit um aus der Stadt zurück zum Lager zu fahren ist um 20:30, danach ist es nicht mehr möglich, nach Blankenburg zu kommen. Am Wochenende hingegen fährt der Bus nur zwei Mal von Blankenburg ab, das gleiche gilt auch für den Bus aus der Stadt in Richtung Blankenburg.

Außerdem ist es so, dass die Busverbindug sehr eingeschränkt ist, Blankenburg zu verlassen, um in die Stadt zu gehen ist ein Privileg. Ein einfaches Ticket hin kostet 1,85â?¬, zurück ebenso. Das heißt, um in die Stadt gehen zu können braucht ein Flüchtling 3,70â?¬. Aber wo soll mensch das Geld hernehmen. Dazu muss das „Taschengeld“ reichen, das Geld, das jeder/m AsylbewerberIn rechtlich zusteht. Alle zwei Wochen bekommen AsylbewerberInnen 19,04â?¬, also um die 38â?¬ im Monat. Bedauerlicherweise haben über zwei Drittel der Flüchtlinge nicht mehr das Recht auf diese 19â?¬. Die Behörden haben nämlich entschieden, allen Menschen, die eine Duldung besitzen und in den Augen der Autoritäten nicht bei der „Rückführung“ kooperieren, also letztendlich allen, dieses Geld zu streichen. Nun hat aber fast jedeR eine Duldung. Alle Flüchtlinge mit einer Duldung bekommen kein „Taschengeld“ mehr und dürfen auch nicht mehr die 1-Jobs machen. Diese Jobs werden auf dem Lagergelände angeboten, es sind z.B. Garten-, Maler-, Reinigungs-, Maurer-, Tischlerarbeiten oder etwas in der Art. Aber nur Flüchtlinge mit einem normalen Ausweis (die sich noch im Asylverfahren befinden) haben das Recht auf diese Jobs.
Abschließend kann gesagt werden, dass Flüchtlinge mit einer Duldung von allem (Taschengeld, Arbeit auf dem Lagergelände, etc.) ausgeschlossen sind.

Was ist eine Duldung eigentlich?

Es ist ein Ausweis, den alle Flüchtlinge bekommen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist und die also abgeschoben werden sollen. Von allen Asylanträgen werden aber in Deutschland nur 0,9% anerkannt. Ein Flüchtling kann schon nach einem Monat, nachdem er seinen Asylantrag gestellt hat, eine Duldung bekommen. Es ist ein kleines grünes Papier, mit einem diagonal gezogenen, roten Streifen. Es stehen die persönlichen Angaben und deine Aufenthaltsdauer darin. Auf der Duldung ist geschrieben: „Aussetzung der Abschiebung“. In der Duldung wird deine berechtigte Aufenthaltsdauer geklebt. Diese kann zwei, drei Tage, ein, zwei Wochen, ein, zwei Monate sein, auf jeden Fall nicht mehr als drei Monate. Wenn die Aufenthaltsdauer abläuft muss der Flüchtling zum Büro der Ausländerbehörde gehen, um seine Duldung zu verlängern.

Leider darf ein Flüchtling auch nicht in eine andere Stadt gehen als Oldenburg. Das heißt Residenzpflicht. Blankenburg und einige kleine Orte in der Nähe sind die einzigen Orte, in die ein Flüchtling das Recht hat zu gehen. Das heißt, ein Flüchtling hat nicht das Recht, den Landkreis Oldenburg zu verlassen, es sei denn er fragt bei den Behörden nach einer Genehmigung. Wie funktioniert eine solche Genehmigung? Auf einem Papierbogen werden Fragen gestellt, die beantwortet werden müssen. „Wo willst du hin?“, Zu wem?“, „In welcher Beziehung steht diese Person zu dir?“, seine/ihre Telefonnummer und die genaue Adresse des Ortes, wo du hingehen möchtest. Danach kann die Behörde entscheiden, ob sie eine Genehmigung erteilt oder nicht. Sehr oft werden solche Anträge abgelehnt. Aber auch wenn sie genehmigt werden, dauert die Genehmigung nicht länger als eine woche. Wenn sie doch länger sein sollten, dann nur für schwangere Frauen oder Frauen mit Neugeborenen. Ansonsten ist die Genehmigung für ein, zwei oder drei Tage.

Wenn du länger wegbleibst, als es deine Genehmigung erlaubt, und du von der Polizei kontrolliert wirst, dann musst du Strafe zahlen. Noch schlimmer ist es für diejenigen, die ohne Genehmigung verreisen. Diese Genehmigungen werden also meistens nicht erteilt oder, wenn sie manchmal erteilt werden, dann nur für einige Tage. Ansonsten musst du die ganze Zeit im Klostermark leben. Was für eine Isolation!

Die ganze Zeit musst du im Lager leben und egal wer dich im Lager besuchen kommt, muss die Eingangskontrolle passieren. Wie wird diese Kontrolle durchgeführt?
Der/die BesucherIn gibt seinen/ihren Personalausweis ab und im Gegenzug erhält er /sie ein Papier, das ihr/ihm von den Sicherheitsbeamten ausgegeben wird. Auf diesem Papier wird auch die Dauer des Besuchs notiert. So muss der/die BesucherIn am Ende seines/ihres Besuchs erneut bei den Sicherheitsbeamten vorbeigehen, dieses Papier, das ihm/ihr gegeben wurde, zurückgeben, um seinen/ihren Ausweis zurückzubekommen. Dieses System erlaubt es nicht nur die BesucherInnen zu kontrollieren, sondern auch die Dauer ihres Besuchs. Die Behörden wollen alles kontrollieren und wissen. Auch die Flüchtlinge, die sich außerhalb von Blankenburg befinden, werden oft von der Polizei in der Stadt kontrolliert. Das bedeutet für die Flüchtlinge, dass sie immer im Lager sind.

Diese Behörden sind nicht dafür da, um den Flüchtlingen zu helfen, sondern um sie zu zerstören und abzuschieben. Mit diesen Behörden ist es nicht leicht zu kommunizieren, denn sie sind die „Herren“ über das Lager. Der Flüchtling kann sich nur dem Willen der Behörden unterordnen, weil er keine andere Wahl hat. Auch gegen rassistische Ausdrücke seitens der Behörden kann mensch nichts machen, du kannst nur schweigen, weil sie es sind, die die „Herren“ über dem Lager sind. Wie in der Kolonialzeit, wo es die Herren und seine Sklaven gab. Eine Verständigung mit den Behörden ist unmöglich. ßber die schon vorhandene Isolation der Flüchtlinge hinaus setzen die Behörden alle Mittel dafür ein, um die Flüchtlinge daran zu hindern mit der Außenwelt in Kontakt zu kommen.

Keine gute Busverbindung, kein Taschengeld, keine Arbeit, unmöglich für dich in die Stadt zu kommen.
Die Autoritäten trichtern uns ein, dass wir nicht das Recht haben mit Deutschen zu kommunizieren, dass wir nicht das Recht haben mit den Deutschen zusammenzuleben. Und sie lehren uns, dass die Deutschen keine Flüchtlinge bei ihnen brauchen. Glücklicherweise haben nicht alle Deutschen die gleiche Vision und die gleichen Wertvorstellungen, wie die Lagerbehörden. Es gibt welche, die nicht so sind wie die Lagerbehörden, wie zum Beispiel Alhambra, NoLager, ALSO und auch andere, die keine Rassenunterschiede machen und Flüchtlinge wie ihres Gleichen behandeln. Nur haben alle Flüchtlinge dieses Gefühl der Angst, weil niemand weiß, wann seine/ihre Abschiebung sein wird. Weil es so ist, dass du in einem Lager lebst und die Autoritäten jederzeit dein Zimmer betreten können, weil sie alle Schlüssel besitzen. Wann wird also die Abschiebung sein? Der Flüchtling kennt den Tag nicht, nur die Autoritäten kennen und bestimmen ihn.

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