Schünemanns Schikanen treffen v.a. die Kinder

Der Fall der Familie S. aus Dransfeld (Landkreis Göttingen) hat am Montag die Landtagsopposition wie auch die FDP auf den Plan gerufen. Während die Liberalen nach Aufklärung verlangen, kommen von der Linken erste Rücktrittsforderungen an Schünemann.

1992 war die Familie aus Algerien geflohen, der Asylantrag wurde 1996 abgelehnt. Seither versucht die Ausländerbehörde, Abschiebungspapiere für die Familie zu bekommen. Die Vorwürfe der Ausländerbehörde gegen die Familie basieren auf der Tatsache, dass zahlreiche sogenannte Sammelvorführungen bei der algerischen Botschaft ergebnislos blieben, an denen die Familie teilnahm, um die Identität zu klären. Alle Vorführungen waren ergebnislos. In einem Schreiben aus dem Jahr 2008 forderte der Innenminister den Landkreis daher persönlich auf, doch bei der Familie eine Razzia durchzuführen. 2010 erhielt der Landkreis ein neues Schreiben des Innenministeriums mit Hinweisen, wie die Familie S. weiter schikaniert werden sollte: „Zwar wurde allen Familienmitgliedern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (…) untersagt, allerdings erteilen Sie [der Landkreis] weiterhin Duldungen für drei Monate (…). Unabhängig davon (…) halte ich auch kürzere Duldungszeiten (zunächst monatlich) für sinnvoll.“ Für den Fall, dass die Familie wider Erwarten diese monatlichen Behördengänge absolviere, schlug das Ministerbüro ein neues Strafverfahren vor. Der Minister ging dabei von einer Verurteilung aus: „Die Familie erhält zwar tatsächlich nur Tagessätze mit einem geringen Geldbetrag, allerdings ist dieser im Hinblick auf die bereits mehrfach gekürzten Leistungen nur schwierig aufzubringen. Darüber hinaus kommt bei Zahlungsunfähigkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht. Auch diese könnte einzelne Familienmitglieder beeindrucken.“

Entsprechend der Anregung des Innenministeriums wurde die fünfköpfige Familie vor dem Hann. Mündener Amtsgericht im Jahr 2011 zum zweiten Mal in gleicher Sache angeklagt. Der Vorwurf: Verstoß gegen die Passpflicht und unerlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet. In der Verhandlung erwiesen sich die Behauptungen, die Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bereits 2008 aufstellte, Familienmitglieder hätten sich „vehement geweigert“, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken, als falsch. Ein Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde bescheinigte Familie S., dass es „keine Anhaltspunkte“ dafür gebe, „dass die Familie falsche Angaben“ gemacht habe. Auch der Staatsanwalt kam zu dem Ergebnis, dass sich Familie S. nichts habe zu schulden kommen lassen: „Mehr ist den S. nicht zuzumuten.“ Er beantragte Freispruch.

Aufschlussreich ist ein Brief der heute 21-jährigen Tochter Fatima an den niedersächsischen Innenminister vom 23.11.2010: „Ich habe fast mein ganzes Leben in Deutschland verbracht. Für mich ist meine Heimat hier in Deutschland, hier bin ich zur Schule gegangen, hier habe ich meine Freunde kennengelernt“, schreibt die Fachabiturientin. „Ich möchte hier leben, mir hier in Deutschland eine Zukunft aufbauen. Allerdings ist meine Angst sehr groß, da wir … in Deutschland nur geduldet sind und ich immer wieder Sorgen habe, nach Algerien, ein für mich fremdes Land, abgeschoben zu werden.“ Ausführlich beschreibt Fatima in ihrem Brief  ihre erfolglosen Versuche, als Studentin zugelassen zu werden oder ein freiwilliges soziales Jahr machen zu dürfen, und bittet den Innenminister um Unterstützung. Dieser lässt in seinem Antwortschreiben vom 3.1.2011 durch das Innenministerium mitteilen, die Familie habe über ihre Identität „getäuscht“ und könne daher weder ein Bleiberecht noch Hilfe in der Frage einer Ausbildung erwarten. „Während des gesamten Aufenthaltes im Bundesgebiet war die Identität der Familie ungeklärt und unterlag zahlreichen Aufklärungsbemühungen seitens der Behörden. Es widerspricht aber jeglicher Lebenserfahrung, dass Sie die eigene Identität und die Ihrer Familie nicht kennen und hierüber auch nicht in Ihrer Familie gesprochen wurde.“

Auch Fatimas Bruder Abdelkader (26) hatte bereits mehrere Arbeits- und Ausbildungsangebote. Auch ihm ist untersagt, zu arbeiten. Stattdessen engagiert er sich als Jugendgruppenleiter. 2006 wurde Abdelkader von Ex-Landrat Schermann mit einer Urkunde ausgezeichnet – „in Anerkennung des bemerkenswerten Engagements und vorbildlichen Verhaltens für den Dienst am Nächsten und das Gemeinwohl“.

Die Fälle von Fatima und Abdelkader sind Paradebeispiele dafür, wie hier aufgewachsene, hervorragend integrierte Jugendliche durch ausländerbehördliche Maßnahmen schikaniert, ausgegrenzt und um ihre Zukunft gebracht werden. Selbst wenn- wofür derzeit keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen sind – die von den Eltern angegebene Identität tatsächlich nicht stimmen würde, wäre es unerträglich und inakzeptabel, die hier aufgewachsenen, gut gebildeten, mittlerweile erwachsen gewordenen Kinder quasi in „Geiselhaft“ zu nehmen und  ihnen ihren weiteren Lebensweg zu verbauen.

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2 Gedanken zu „Schünemanns Schikanen treffen v.a. die Kinder“

  1. ich finde es ungeheuerlich was dort passiert. die familie hat sich integretiert, die kinder kennen algerien nicht was soll das!!!in welcher zeit leben wir denn! wir haben nicht das jahr 1942!!!nur in deutschland verhandelt man so mit aisländer. so etwas gehört sich nicht.als arbeiter gebraucht wurden, waren sie gut genug als die deutschen die-drecksarbeit- nicht machen wollten.jeder dert in seinem land nicht glücklich ist und der dort keine zukunft hat, dem sollte ein aufenthaltsrecht in einem anderen land möglich gemacht werden wenn man nie straftätig geworden ist. deutschland ist auch für mich als deutsche nicht mehr akzeptabel. nur die behörden und ämter pochen auf ihre stellungnahme. auch ich werde deutschland sicher inbaldiger zukunft verlassen und in ein land gehen, wo ich gut aufgenommen werde.denn hier halte ich es als gebürtige westdeutsche auch nicht mehr aus.

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  2. Sehr geehrte Frau Balach,

    sie verwechseln hier Äpfel mit Birnen !
    Die derzeitige Ausländerpolitik mit den Gräueltaten des Nazi – Regimes zu vergleichen ist unangemessen.
    Sofern sich Ausländer ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhalten, sind sie hier illegal und werden in aller Regel in ihr Heimatland abgeschoben.
    Da im vorliegenden Fall nicht zweifelsfrei zu klären war, ob diese Abschiebung eine unzumutbare Härte für die Kinder sei, hat man der Familie zumindest eine Duldung eingeräumt. Ohne Kinder wäre das Ehepaar sicherlich sofort nach Algerien abgeschoben worden.
    Und das halte ich auch für richtig !
    Deutschland ist kein klassisches Zuwanderungsland. Unser soziales System beruht auf komplizierten Regeln und bedarf des Gleichgewichts. Einen Aufenthalt wo immer man es möge wäre eine Katastrophe und die gilt es zu verhindern.
    Natürlich sind wir aufgrund unserer Geschichte liberal – z.B. bei Asylfragen – aber Algerien verfolgt keine Mitbürger – das fällt hier also raus.
    Derzeit muss der Steuerzahler für diese Familie aufkommen – ein Zustand der nicht von Dauer sein darf.
    Meine Meinung nach muss das Passverfahren innerhalb von 24 Monaten abgeschlossen sein – wenn nicht – TSCHÜSS !!

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