Ordnungspolitische Hardliner fordern mehr Abschiebungen

VertreterInnen von Mitgliedern der sog. AG Rück sowie von Clearingstellen der Länder BW, BY, BE, HH, NI, NRW und RP haben gemeinsam mit VertreterInnen der Bundespolizei (BPol) und des BMI einen Bericht unter dem Titel „Vollzugsdefizite – Ein Bericht über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen“ erstellt, der über den Spiegel lanciert wurde und uns jetzt im Wortlaut vorliegt.

Der von dieser Arbeitsgruppe vertretene Ansatz erschreckt insofern, als er die Ausreise bzw. Abschiebung eines Flüchtlings als logische Schlussfolgerung eines abgelehnten Asylantrags betrachtet und geflissentlich verschweigt, dass mit diversen Bleiberechtsregelungen, der  Aufenthaltserlaubnis durch qualifizierte Ausbildung (§18a AufenthG), der Rechtsprechung des EGMR und der damit zusammen hängenden Praxis der Erteilung eines Aufenthaltsrechts wegen Unzumutbarkeit einer Rückkehr sowie mit dem neuen Aufenthaltsrecht für geduldete Jugendliche und junge Erwachsene nach §25a AufenthG mittlerweile eine ganze Reihe von legalen Übergängen für abgelehnte Flüchtlinge in ein Aufenthaltsrecht bestehen. Viele Geduldete leben viele Jahre und Jahrzehnte in Deutschland, zum Beispiel weil Bürgerkriege im Herkunftsland eine Rückkehr nicht möglich machten. Wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im gesamten Bundesgebiet Netzwerke fördert, deren Ziel es ist, dass u.a. Geduldete in den Arbeitsmarkt integriert werden, so wird auch daran deutlich, dass die Aufenthaltsbeendigung um jeden Preis längst nicht mehr die einzige Leitlinie der deutschen Politik darstellt.

Der Bericht der AG Rück problematisiert eine öffentliche Berichterstattung, die Abschiebungen als humanitäres Problem darstellt. Dies ist entweder dann der Fall, wenn die Betroffenen schon viele Jahre in Deutschland leben und hier längst ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, oder wenn eine Abschiebung aufgrund der für die Betroffenen (aus unterschiedlichsten Gründen) existenzgefährdenden Situation für problematisch gehalten wird. Gerade weil es bei Fragen der Asylgewährung regelmäßig um existenzielle Fragen geht und Fehlentscheidungen weit reichende Folgen haben können, stände es einem Rechtsstaat gut zu Gesicht, sich bei Abschiebungsvollzügen Zurückhaltung aufzuerlegen und im Zweifel auf die Durchsetzung einer Abschiebung zu verzichten.

Die AG Rück, eine seit vielen Jahren heimlich agierende Arbeitsgruppe von Ministerialbeamten, über deren Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse in der Regel Stillschweigen bewahrt wird, ficht all das nicht an. Sie will die Durchsetzung von Ausreiseverpflichtungen um jeden Preis und fordert dafür strengere Gesetze, mehr Inhaftnahmen, den Verzicht auf die Ankündigung von Abschiebungsterminen, eine  rigide Durchsetzung der Residenzpflicht und mehr Abschiebungspersonal. Ein politisches Programm von vorgestern also, von dem wir hofften, es überwinden zu können, das aber nach wie vor die politischen Verhältnisse weitgehend beherrscht: Nach wie vor erweisen sich rund ein Drittel aller Inhaftnahmen von Flüchtlingen nachträglich als rechtswidrig. Nach wie vor kommt es in Niedersachsen zu überfallartigen Abschiebungen im Morgengrauen auch von Flüchtlingen, die schon jahrelang unter uns leben. Nach wie vor werden Flüchtlinge in Herkunftsstaaten abgeschoben, in denen eine menschenwürdige Existenz nicht möglich ist.

Im Übrigen sind die von der AG Rück präsentierten Zahlen falsch und ihre Schlussfolgerungen fragwürdig. Eine treffende Kritik findet sich auf der Homepage von PRO ASYL.

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1 Gedanke zu „Ordnungspolitische Hardliner fordern mehr Abschiebungen“

  1. Das finde ich Frechheit, solche geheime Versammlungen, die eigentlich verboten, gehören, abzuhalten, um über Abschiebungen von Flüchtlinge und ihr Leben zu diskutieren & zu entscheiden ohne ihre Zustimmung!!!
    Es würde mich interessieren, ob die neue BW-Regierung weiter diese rassistische Politik mitmacht, da die Vorige das Theater mit veranstaltete oder einen zivilisierten Weg benutzt?

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