Kommentierung des Eckpunktepapiers Integrationsgesetz

PRO ASYL: Erste Einschätzungen zum Eckpunktepapier der Bundesregierung für ein Integrationsgesetz:
Autoritäre Integrationspädagogik für Flüchtlinge

Heute hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier für das geplante Integrationsgesetz der Öffentlichkeit vorgestellt. Am 22. April 2016 soll es auf der Ministerpräsidenten‐Konferenz beraten werden und am 24. Mai 2016 im Kabinett beschlossen werden. Es handelt sich um ein aus 15 Punkten bestehendes Papier, in dem sinnvolle Maßnahmen z.B. zur Arbeitsmarktintegration mit repressiven Freiheitsbeschränkungen gegenüber Flüchtlingen kombiniert werden.

PRO ASYL kritisiert insbesondere die geplante Einführung einer Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge als nicht zu rechtfertigende Freiheitsbeschränkung. Flüchtlinge sollen – nach Abschluss ihres Asylverfahrens, das oftmals viele Jahre dauert – nach festen Quoten auf Deutschland verteilt werden. PRO ASYL hält eine solche Maßnahme für europarechtlich schwer begründbar. Eine Wohnsitzauflage wirkt zudem der Integration entgegen, da sie Flüchtlinge zum Verbleib in strukturschwachen Regionen verpflichtet, wo ihre Aussichten auf einen Arbeitsplatz äußerst gering sind.

Besonders kritisch sieht PRO ASYL die aufenthaltsrechtlichen Sanktionen. Die Erteilung eines dauerhaften Aufenthaltstitels für Flüchtlinge nach drei Jahren soll künftig von erfolgreichen Integrationsleistungen abhängig gemacht werden. Hier wird künstlich Misstrauen gegenüber Flüchtlingen gesät. Denn in der Praxis übersteigt die Nachfrage nach Integrationskursen bei weitem die Angebote. Hier sieht PRO Asyl die Bundesregierung in der Pflicht, ausreichend Kapazitäten für Kurse zu schaffen, anstatt mit Sanktionen auf Scheinprobleme zu reagieren.

Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach drei Jahren ist integrationspolitisch sinnvoll. Sie ermöglicht Flüchtlingen eine dauerhafte Lebensperspektive und beschleunigt damit die Integration: Wer weiß, dass der Aufenthalt in Deutschland gesichert ist, wird sich viel engagierter um seine In‐ tegration bemühen als derjenige, der Zweifel über seine Perspektiven hat. Im Einzelnen bewertet PRO ASYL die geplanten Maßnahmen wie folgt:

1. Arbeitsmarktprogramm für Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM)

Vorgesehen ist die Einführung 100.000 zusätzlicher „Arbeitsgelegenheiten“ für Asylsuchende, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen. Sie sollen an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten sind ausgeschlossen.

Bewertung: Ein‐Euro‐Jobs für Asylsuchende sind heute schon an der Tagesordnung, allein in Bayern waren von August 2015 und Januar 2016 mehr als 9.100 Personen im Einsatz. Angeblich schaffe das Akzeptanz in der Bevölkerung. Erzwungenes Nichtstun, fehlende Sprachkurse und langdauernde Asylverfahren prägen die aktuelle Situation vieler Asylsuchender, die oft für jede Beschäftigung, entgeltlich oder nicht, dankbar sind.

Diese desolate Situation ist allerdings nicht dazu angetan, sich die Ein‐Euro‐Jobs als pädagogische Errungenschaft oder gar integrationsfördernd an die Fahne zu heften. Mit allergrößter Selbstverständlichkeit kommt hier der Rassismus daher, wenn die bayerische Sozialministerin meint, Ein‐Euro‐Jobs seien geeignet, Flüchtlingen die Gepflogenheiten der deutschen Arbeitswelt zu vermitteln, als da per deutscher Selbstzuschreibung genannt werden: Pünktlichkeit, Verantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit. Zu lernen haben dies die unpünktlichen, verantwortungslosen und gewissenlose Flüchtlinge, so die Botschaft. Ökonomen haben vor dem Hintergrund des Ziels, Flüchtlinge so schnell, aber auch so gut wie möglich – nachhaltig und ihrer Qualifikation entsprechend – in Arbeit zu bringen, den massenhaften Einsatz des Instruments Ein‐Euro‐Jobs für nicht zielführend erklärt und als eine Art Beschäftigungstherapie gebrandmarkt, so etwa der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung(DIW), Marcel Fratzscher, und Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft(IW).„Öffentlich geförderte Arbeitsgelegenheiten erscheinen nicht als der richtige Weg, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen“, so auch Ronald Bachmann vom Rheinisch‐Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Wie bei deutschen Ein‐Euro‐Jobbern ist festzustellen: Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt sind solche Jobs fast nie.

Das Gerede von der „niederschwelligen Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt“ verschleiert diese Tatsache. 450 Mio. Euro wären besser angelegt bei allen Instrumenten, die wirklich die Chance verbessern, in den regulären Arbeitsmarkt zu gelangen, vor allem in Sprachkursen und beruflicher Anpassungsqualifizierung. Beim Einsatz außerhalb gemeinnütziger Einrichtungen bestehen Bedenken, dass hier ein neuer Billiglohnbereich unterhalb des Mindestlohnes entsteht. Warum das grundsätzlich für die Verbesserung von Arbeitsmarktchancen völlig ungeeignete Instrument, dann – quasi als eine Art Sanktion – den Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten vorenthalten werden soll, entbehrt jeder Logik.

2. Verpflichtung zur Mitarbeit an angebotenen Integrationsmaßnahmen

Asylsuchende sollen mit Leistungskürzungen belegt werden, wenn sie an – noch nicht benannten – Integrationsmaßnahmen nicht teilnehmen.

Bewertung: Bislang haben Asylsuchende noch gar keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen für die Zeit des Asylverfahrens. Auch wenn noch gar keine Erfahrungen mit etwaigen Verweige‐ rungen der Asylsuchenden bestehen, wird schon über Sanktionen nachgedacht. Die Bundesregie‐ rung schürt Ressentiments, indem sie Asylsuchenden ein Fehlverhalten schon prophylaktisch unterstellt. Die Sanktion – Leistungskürzung – ist mit dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht vereinbar, da die Leistungen nach dem AsylbLG bereits nur das unterste Exis‐ tenzminimum absichert.

3. Sonderregelung für die Ausbildungsförderung von Ausländerinnen und Ausländer

Es soll für Asylsuchende, Geduldete und bestimmte Gruppen mit humanitärem Aufenthaltstitel der Zugang zu Leistungen der Ausbildungsförderung nach SGB III befristet bis Ende 2018 geschaffen werden.

Bewertung: Dies stellt eine grundsätzlich sinnvolle Maßnahme dar. Die zeitliche Befristung ist nicht sachgerecht – der Bedarf wird auch ab 2019 noch vorhanden sein. Der Ausschluss von Asylsuchenden ohne gute Bleibeperspektive ist eine Fortsetzung der Aufteilung der Asylsuchenden nach willkürlichen Kriterien. Aktuell werden Afghanen als Personen ohne gute Bleibeperspektive behandelt (Ausschluss von Sprachkursen während des Asylverfahrens) – und dies, obwohl ihre Anerkennungsquote 2015 bei 77 Prozent (aller inhaltlichen Entscheidungen) lag. Im Übrigen stellt das Asylverfahren eine individuelle Prüfung dar, dessen Ergebnis erst am Ende des Verfahrens feststeht. Die pauschale Einteilung in Gruppen ist mit dem individuellen Asylrecht nicht vereinbar.

4. Zugang zu Leistungen für Langzeitarbeitslose Es sollen Leistungen wie für Langzeitarbeitslose gewährt werden.

5. Aufenthaltsgestattung – Ankunftsnachweis

Es soll eine Regelung geschaffen werden, wonach die Aufenthaltsgestattung mit der Erteilung des Ankunftsnachweises entstehen soll.

Bewertung: Dies ist zu begrüßen. Erst mit der Aufenthaltsgestattung entsteht ein legaler Aufenthalt für Asylsuchende für die Dauer des Asylverfahrens. Eine schnelle Registrierung ihrer Asylanträge und die aufenthaltsrechtliche Legalisierung ist europarechtlich vorgegeben. Es ist überfällig, dass die Bundesregierung hier Rechtsklarheit schafft, insbesondere auch über die sozialrechtlichen Ansprüche und sonstigen Folgewirkungen. Problematisch ist indes, dass in der Praxis die zeitnahe Erteilung des Ankunftsnachweises noch nicht funktioniert. Nach Schätzungen haben noch immer 500.000 bis 600.000 eingereiste Schutzsuchende noch keinen Ankunftsnachweis, sondern nur eine sog. BüMA.

6. Prüfpunkt: Orientierungskurse

Es soll geprüft werden, ob auch Asylsuchende trotz unklarer Bleibeperspektive Fördermaßnahmen erhalten können.

Bewertung: PRO ASYL begrüßt eine Förderung aller Asylsuchender. Die willkürliche Unterscheidung je nach Bleibeperspektive ist diskriminierend. Außerdem ist der Erwerb von Sprachkenntnissen oder Berufserfahrungen für alle Personengruppen gewinnbringend, selbst wenn eine spätere Rückkehr ins Herkunftsland stattfindet. Allerdings ist es bezeichnend, dass sich die Bundesregierung hier nur zu einem Prüfauftrag durchringen konnte. Hier bleibt es also vage, ob es zu einer Realisierung überhaupt kommen wird.

7. Dolmetscherkosten Es soll eine Klarstellung hinsichtlich der Übernahme von Dolmetscherkosten beim Umgang mit Sozialbehörden erfolgen.

8. Verpflichtungserklärungen

Für den Fall, dass sich Verwandte verpflichtet haben, für alle Kosten der nachziehenden Familienangehörigen aufzukommen, soll eine Befristung dieser Verpflichtungserklärung auf fünf Jahre erfolgen. Für Altfälle soll eine Regelung gefunden werden.

Bewertung: PRO ASYL begrüßt eine solche Regelung, da sie das unüberschaubare Haftungsrisiko für Private eingrenzt. Werden Flüchtlinge, die über ein Aufnahmeprogramm gekommen sind, im Asylverfahren nachträglich anerkannt, ist die Wirkung der Verpflichtungserklärung sofort aufzuheben. Zu fordern ist in diesem Zusammenhang, dass die ausgelaufenen Aufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge wieder aufgenommen werden und auf weitere Herkunftsländer, z.B. Irak, aus‐ gedehnt werden.

9. Rechtssicherheit für den Aufenthalt während der Ausbildung

Es soll eine Regelung geschaffen werden, wonach während einer Ausbildung eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung eingeführt wird. Im Anschluss wird eine Duldung bis zu sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche erteilt.

Bewertung: Positiv ist, dass während einer Ausbildung rechtlich abgesichert werden soll, dass keine Abschiebung stattfindet. Die bestehende Regelung in § 60a Abs. 2 AufenthG wird verbessert (§ 60a sieht kürzere Duldungszeiten, Antragsaltersgrenze von 21 Jahren vor). Es wäre jedoch besser, wenn hierzu ein echter Aufenthaltstitel erteilt wird. Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel, sondern nur eine Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Positiv ist hingegen, dass es keine Altersgrenze für die Aufnahme der Ausbildung geben soll. Zu fordern ist darüber hinaus, dass in allen Bundesländern die Altersgrenze für die Berufsschulpflicht nach oben hin angepasst wird (wie in Bayern), damit auch junge Erwachsene, die als Asylsuchende nach Deutschland kommen, noch Zugang zu Berufsschulen haben.

10. Aussetzung der Vorrangprüfung und Ermöglichung der Leiharbeit für Gestattete und Ge‐
duldete Wenn in einem Gebiet die Arbeitslosigkeit unterdurchschnittlich ist, soll auf die Vorrangprüfung gänzlich verzichtet werden und in Folge dessen auch Leiharbeit möglich sein.
Bewertung: PRO ASYL begrüßt den Verzicht auf die Vorrangprüfung. Dies sollte bundesweit gelten. Hingegen sieht PRO ASYL das Instrument der Leiharbeit grundsätzlich kritisch und plädiert für dessen Abschaffung, da es zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führt und Tarifverträge unterläuft. Asylsuchende und Geduldete sind nochmals anfälliger für Ausbeutung als andere Arbeitnehmer, da sie aufgrund ihres prekären Aufenthalts leichter erpressbar sind und eine Organisierung scheuen.

11. Aufenthaltsverfestigung von anerkannten Flüchtlingen bei erbrachter Integrationsleistung

Es ist vorgesehen, Flüchtlingen einen dauerhaften Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis) zu verwehren, wenn sie Deutschkurse verweigern und Arbeitsangebote ausschlagen.

Bewertung: Bislang erhalten anerkannte Flüchtlinge zunächst einen Aufenthaltstitel von drei Jahren und nach Ablauf der drei Jahre eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Diese Regelung wurde 2005 mit dem Zuwanderungsgesetz eingeführt, um anerkannten Flüchtlingen eine dauerhafte Lebensperspektive zu ermöglichen und damit auch die Integration zu beschleunigen. Wer weiß, dass der Aufenthalt in Deutschland gesichert ist, wird sich viel engagierter um seine In‐ tegration bemühen als derjenige, der Zweifel über seine Perspektiven hat. Die relativ schnelle Erteilung eines unbefristeten Titels dient also der Integration. Zudem würde eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Schutzberechtigten – zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Integrierten – die Bürokratiekosten stark in die Höhe treiben. Die Ausländerbehörden müssten bei der Erteilung der Niederlassungserlaubnis einen extremen Mehraufwand bewältigen – ebenso die Gerichte, die in Streitfällen entscheiden müssten. Die geplanten Sanktionen – bei Integrationskursverweigerung oder Ablehnung eines Jobangebots – kreieren zudem ein Scheinproblem. Es vergiftet das gesellschaftliche Klima, eine solche Mär von der Integrationsverweigerung zu erzählen, während das Gegenteil der Fall ist.

Die große Mehrheit der Flüchtlinge will sich integrieren. So wird im Jahr 2016 die Zahl der Integrationskurse weit hinter der Nachfrage zurückbleiben. 2016 wurden bis Ende März 95.000 Flüchtlinge bzw. Schutzbedürftige anerkannt. 2015 waren es rund 141.000. Bisher sind schon mehr als 230.000 berechtigt, an Integrationsmaßnahmen teilzunehmen. Mehrere Hunderttausend Asylanträge sind noch nicht bearbeitet. Bei einer Anerkennungsquote von ca. 60% ist bei Abarbeitung der Altfälle dementsprechend mit einem weit höheren Bedarf zu rechnen, als mit den 300.000 Plätzen, mit denen das BMI bei Integrationskursen kalkuliert.

PRO ASYL schätzt, dass die Haushaltsmittel des Bundes hierfür mehr als verdoppelt werden müssten. Es fehlt eine Altfallregelung für Asylsuchende, die sich mehr als ein Jahr im Asylverfahren befinden. Dies würde einen effizienten Beitrag dazu leisten, eine zügigere Integration zu ermöglichen.

12. Höhe der Asylbewerberleistungen

Es ist eine Leistungskürzung von ca. 34 Euro vorgesehen.

Bewertung: Es ist nicht nachvollziehbar, was eine Leistungskürzung mit Integration zu tun hat.

13. Wohnsitzzuweisung

Geplant ist, eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge einzuführen, die zeitlich befristet nach der Anerkennung dazu verpflichten soll, an einem bestimmten Ort in Deutschland zu leben.

Bewertung: PRO ASYL lehnt eine solche Wohnsitzauflage ab, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist und die Integration von Flüchtlingen behindern würde. Sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 26 GFK) als auch die Qualifikationsrichtlinie der EU (Art. 33) garantieren das Recht auf Freizügigkeit für Flüchtlinge. Die Einführung einer Wohnsitzauflage aus fiskalischen Gründen ist – wie jüngst auch der EuGH entschieden hat – weder mit der GFK noch mit der EU‐Qualifikationsrichtlinie vereinbar (EuGH, Urteil v. 1.3.2016, C‐443/14, C‐444/14). Aber auch mit einer anderen Begründung ist eine Wohnsitzauflage nicht erlaubt.

Integrationspolitische Gründe könnten die Wohnsitzauflage nur rechtfertigen, wenn sie keine Ungleichbehandlung zu anderen MigrantInnen‐Gruppen bedeuten würde (z.B. Personen, die mit einem Visum zum Familiennachzug kommen). Diese anderen Gruppen sind jedoch nicht von einer Wohnsitzauflage betroffen. Es liegt hier also eine Ungleichbehandlung vor, die ausdrücklich gem. Art. 33 Qualifikationsrichtlinie nicht zulässig ist. Die verschiedenen MigrantInnen‐Gruppen befinden sich auch integrationspolitisch in einer vergleichbaren Situation in Deutschland. Sie sind gem. § 43 ff. AufenthG alle verpflichtet, an Integrationskursen teilzunehmen. Eine Diskriminierung von Flüchtlingen lässt sich nicht integrationspolitisch rechtfertigen.

PRO ASYL warnt davor, nun sehenden Auges völkerrechts‐ und unionsrechtswidriges Recht zu schaffen. Es geht hier um wesentliche Grundrechtspositionen, die nicht einfach nach Belieben über Bord geworfen werden dürfen. Es kommt hinzu, dass eine Wohnsitzauflage in der Praxis auch keine Verbesserungen bringen wird. Zwar beklagen sich Kommunen über eine ungleichgewichtige Verteilung von Flüchtlingen. Es ist jedoch nicht die Schuld der Flüchtlinge, wenn sich soziale Brennpunkte entwickeln, sondern Ergebnis einer verfehlten Planung einer angemessenen Unterbringung von Flüchtlingen. Anstatt immer neue Provisorien zu verlängern müssen Bund und Länder endlich nachhaltige Strukturen schaffen. Eine massive Investition in den sozialen Wohnungsbau ist das, was die heutigen Zeiten erfordern.

Die Notwendigkeit, bezahlbaren Wohnraum insbesondere in den Großstädten zu schaffen, ist nicht erst durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen akut geworden. Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt zudem nicht besser durch eine Zwangsumverteilung in strukturschwache Regionen. Auch aus diesem Grund ist die Wohnsitzauflage kontraproduktiv. Flüchtlinge müssen die Chance erhalten, dort zu leben, wo sie eine reale Perspektive auf eine Integration in den Arbeitsmarkt haben.

Das Gegenargument, dass die Betroffenen bei einem konkreten Jobangebot umziehen könnten, ist nicht stichhaltig. Denn die Arbeitsplatzsuche für Flüchtlinge kann nach unserer Erfahrung vor allem dann gelingen, wenn sie am Wohnort Kontakte knüpfen – aus der Ferne ist die Jobsuche höchst unrealistisch. Gerade bei der Integration ist es hilfreich, dass Flüchtlinge auf ihre Netzwerke zurückgreifen können. Die Communities leisten unschätzbaren Wert bei der Integration von Flüchtlingen.

14. Zugang und Verpflichtung zu Integrationsleistungen

Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sollen zu Integrationskursen über das geltende Maß hinaus verpflichtet werden können, d.h. auch dann, wenn einfache Deutschkenntnisse bereits vorhanden sind.

Bewertung: Positiv ist die Ausweitung der Angebote von Integrationskursen. Dies sollten jedoch als Anspruch und nicht als Zwangsmaßnahme ausgestaltet werden. Außerdem muss dringend die Qualität der Sprachkurse erhöht werden.

15. Effizientere Steuerung des Integrationskurssystems

Die Steuerung des Integrationskurssystems soll effizienter werden, indem die Kurse schneller beginnen (nach sechs Wochen) eine höhere Teilnehmerzahl haben (25) sowie transparenter sin und mehr Stunden für Wertevermittlung vorsehen.

Bewertung: Eine Begrenzung der Teilnehmer auf Asylsuchende mit „guter Bleibeperspektive“ lehnt PRO ASYL ab. Dies stellt eine diskriminierende Ungleichbehandlung dar.

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