Keine Wohnberechtigungsscheine für asylsuchende Flüchtlinge?

Auf Anfrage des Flüchtlingsrats Niedersachsen e.V. hat das niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung mit Schreiben vom 14.04.2015 die aktuell gültige niedersächsische Rechtslage beim Zugang zu Wohnberechtigungsscheine für ausländische Wohnungssuchende erörtert.

Nach gegenwärtiger Rechtslage erhalten ausländische Wohnungssuchende nur dann einen Zugang zu Wohnberechtigungsscheinen, wenn sie sich „nicht nur vorübergehend“ im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen und rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbständigen Haushalt zu führen. Die in Niedersachen geltenden Wohnraumförderbestimmungen führen dazu weiter aus, dass Vorgenanntes nur dann möglich sei, wenn bei den ausländischen Wohnungssuchenden ein rechtmäßiger Aufenthalt von mindestens einem Jahr gegeben ist.

Personen mit Aufenthaltsgstattung oder Duldung fallen nach derzeitiger niedersächsischer Praxis damit von vornherein aus dem Zugang zu Wohnberechtigungsscheinen heraus. Darüber hinaus fallen aber auch weitere Personen mit rechtmäßigem Aufenthaltstitel zunächst aus der Begünstigung des geförderten Wohnraums, z.B. Personen, die einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Dieser Aufenthalt wird gem. § 26 Abs. 1 AufenthG zunächst jeweils für längstens sechs Monate erteilt. Die für die Ausstellung der Wohnberechtigungsscheine zuständigen Behörden Niedersachsens verweigern daher in aller Regel Betroffenen den Zugang zu diesem wichtigen Instrument zur Erlangung eigenen Mietwohnraums.

Allerdings weist das Sozialministerium für diese Fälle ausdrücklich darauf hin, dass die zuständige Wohnraumförderstelle eine Prognoseentscheidung unter Beteiligung der zuständigen Ausländerbehörde zu treffen hat, ob ein rechtmäßiger Aufenthalt von mindestens einem Jahr erwartet werden kann. Für die Praxis empfiehlt sich dies von den zuständigen Stellen auch einzufordern, indem ein schriftlicher Antrag mit dem Hinweis auf die mögliche Prognoseentscheidung gestellt wird und auf einer schriftlichen Entscheidung bestanden wird, um die Begründung sowie mögliche Rechtsmittel gegen ablehnende Entscheidungen prüfen zu können.

Am Beispiel des § 25 Abs. 5 AufenthG wird deutlich, dass eine solche Prognoseentscheidung i.d.R. positiv ausgehen sollte. Ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG wird gerade dann erteilt, wenn festgestellt wurde, dass Menschen nicht zurückkehren können bzw. nicht (erneut) vertrieben werden dürfen und ein Aufenthaltsrecht genießen. Ein einmal erteilter Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG dürfte daher in aller Regel nach Ersterteilung verlängert werden.
Niedersachsen hat am 27.05.2015 im Erlasswege Anwendungshinweise zu § 25 Abs. 5 AufenthG erlassen, die hoffen lassen, dass dieses Aufenthaltsrecht zukünftig deutlich mehr Personen zugute kommen wird, siehe hier. Die kommunal zuständigen Behörden sollten daher in allen Fällen von dem zur Verfügung stehenden Prognosespielraum Gebrauch machen und Wohnberechtigungsscheine an Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §25 Abs. 5 AufenthG erteilen.

Darüber hinaus bleibt zu fordern, dass die Landesregierung die Vergabe von Wohnberechtigungsscheine – ggfs. über eine Initiative für eine Änderung der Rechtslage – auch für Personen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung ermöglicht, um diesen die Möglichkeit zu geben, aus Wohnheimen und zugewiesenen Unterkünften ausziehen zu können. Die derzeitige Auslegungspraxis ist alles andere als zwingend: In anderen Rechtsbereichen wird ein „gewöhnlicher Aufenthalt“ in Deutschland bereits nach drei Monaten unterstellt. Zahlreiche Personen leben über Jahre mit einer Duldung. Daher kann hier nicht von einem vorübergehenden Aufenthalt gesprochen werden. Die Asylverfahren ziehen sich im Einzelfall derzeit über Jahre hin, daher ist der fehlende Zugang zu Wohnberechtigungsscheinen für diese Personengruppe mit Aufenthaltsgestattung ein Instrument der Integrationsverhinderung. Siehe hier auch die einschlägige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20.6.2012 [AZ 4 K 1983/11].

Hintergrund:
Das Instrument der Wohnberechtigungsscheine gibt Menschen mit geringem Einkommen oder vollständiger Abhängigkeit von Sozialleistungen in allen Bundesländern Zugang zu gefördertem sozialem Wohnraum. Andere Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu diesem geförderten Wohnraum. Die Regelungen dazu liegen in der Zuständigkeit der Bundesländer, die den Spielraum in höchst unterschiedlicher Weise nutzen.

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!