Hildesheim: Proteste verhindern Abschiebung

Nachfolgend dokumentieren wir eine Meldung der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 23.03.2015:

Aktivisten verhindern Abschiebung

Gruppe verhindert Abschiebung am frühen MorgenHildesheim (hcl/jaz/rek) – Kein Durchkommen: Rund 100 Aktivisten haben die Abschiebung eines 22-jährigen Mannes verhindert. Sie stellten sich von 5 Uhr an dicht an dicht ins Treppenhaus sowie vor die Haustür in der Jan-Pallach-Straße in der Innenstadt. Die Polizei musste unverrichteter Dinge wieder umkehren.

Achmed G. wusste, dass das Innenministerium ihn abschieben will. Der Termin am Montagmorgenn, an dem er abgeholt und zum Frankfurter Flughafen gebracht werden sollte, war ihm per Post mitgeteilt worden. Der 22-Jährige, der in seiner Heimat Sudan zu einer Minderheit gehört, wird politisch verfolgt. Als er die Repressalien nicht mehr ertragen konnte, hat er den schweren Entschluss gefasst, sein Land zu verlassen. Seit September 2013 ist der junge Mann nun auf der Flucht. Die Strecke über Griechenland, Albanien, Serbien nach Ungarn ist er größtenteils zu Fuß gelaufen. In Ungarn, wo er neun Monate verbracht hatte, stellt er seinen Asylantrag. Die Behörden lehnen ab. Seit Juni vergangenen Jahres ist er nun in Deutschland. Einen Asyl-Antrag kann er aber hier nicht stellen. Denn nach der sogenannten Dubliner-Verordnung muss er dort Asyl beantragen, wo er die Behörden zum ersten Mal kontaktiert hat – daher auch die geplante Abschiebung nach Ungarn.

„Die wenigsten Menschen, die vor Krieg und Elend flüchten, kommen aber über die Nordsee“, sagt eine von den Blockiererinnen in der Jan-Pallach-Straße, die sich Giulia nennt. Sie kritisiert die Haltung der deutschen Regierung. So wie die anderen Aktivisten möchte sie an diesem kalten Morgen ein Zeichen setzen – gegen Rassismus und für eine Welt ohne Grenzen und Nationen.

Achmed G. kann es kaum glauben, dass sich so viele Menschen zusammengefunden haben, die früh morgens nur für ihn demonstrieren. Er ist sichtlich gerührt. Zu seiner ständigen Angst komme nun erstmals seit langer Zeit ein Gefühl der Gemeinschaft und Unterstützung. „Unbeschreiblich“, sagt der 22-Jährige leise und lächelt ein wenig. Er bietet zusammen mit seinen drei Mitbewohner – auch alles Asylbewerber – den Aktivisten heißen Kaffee und Tee an. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, betont ein Blockierer namens Tom. Nicht ohne Stolz: Die Neonazis haben nach monatelanger Mobilisierung in Hildesheim nur 80 Anhänger zusammenbekommen, zur Sitzblockade seien innerhalb weniger Tage mehr als 100 Leute gekommen.

„Achmed ist in einem schlechten Zustand, hat viele schlimme Sachen erlebt“, übersetzt Aiman Ismail. Der 45-Jährige stammt selbst aus dem Sudan und lebt seit 20 Jahren in Hildesheim. Auch er unterstützt den 22-Jährigen, der sogar ins Gefängnis gesteckt wurde. „Er ist  verletzt und traumatisiert.“  Die unsichere Zukunft des Flüchtlings wird sich so schnell nicht ändern. „Frühestens nach einem Jahr – also im Juni –  kann er in Deutschland Asyl beantragen, so schreibt es der Erlass vor“, erläutert Olaf Strübing vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Bis dahin dürfe er aber nicht untertauchen, sondern müsse für die Behörden erreichbar sein.

So beginnt eine Art Katz-und-Maus-Spiel: Zum nächsten Abschiebetermin kommt die Polizei unangemeldet, um Achmed G. abzuholen – sofern das Treppenhaus frei ist.

Zur schwierigen Lage und zum Umgang mit Flüchtlingen in Ungarn siehe auch: Asylum-2015-Hungary-press-info-4March2015
Hier die heutige Pressemitteilung der Projektwerkstatt Hildesheim

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