Landgericht Hildesheim: Abschiebehaft war rechtswidrig

Am 12.06.2013 wurde der sudanesische Flüchtling Salah A., der auch am Protest-Camp in Hannover beteiligt war, aus der Abschiebehaft nach Italien abgeschoben. Das Amtsgericht Hildesheim hatte zuvor dem Antrag der Ausländerbehörde auf Haft entsprochen. Eine Beschwerde gegen den Haftbeschluss von Rechtsanwalt Paulo Dias wurde durch das Amtsgericht Hildesheim zurückgewiesen. Daraufhin legt der Anwalt beim Landgericht Hildesheim Beschwerde gegen die Abschiebehaft ein. Das Landgericht Hildesheim hat nun mit Beschluss vom 14.07.2014 festgestellt, dass die Haft rechtswidrig war. Das Gericht begründet dies damit, dass die Ausländerbehörde in ihrem Haftantrag nicht bei der Staatsanwaltschaft in Gießen den Stand der Ermittlungen wegen des Vorwurfs der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet nachgefragt hatte, wie sie dies laut § 72 Abs. 4 AufenthG hätte tun müssen. Interessanter und erfreulicher ist jedoch die weitere Begründung der Rechtswidrigkeit der Haft: Das Gericht stellt fest, dass die Haft nicht verhältnismäßig gewesen sei, da offensichtlich geworden wäre, dass sich der Betroffene nicht aktiv der Abschiebung entziehen wollte. Aus der Tatsache, dass er zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht zu Hause war, hätte nicht der Schluss gezogen werden können, dass er sich dauerhaft der Abschiebung entziehen wollte: Es hätten nach Ansicht des Gerichts durch das Amtsgericht Hildesheim auch mildere Auflagen wie regelmäßiges Melden bei der Behörde ausgereicht. Der Beschluss ist somit sicher auch für zukünftige Entscheidungen über Haftanträge von Bedeutung, da das Landgericht Hildesheim hier noch einmal die Kriterien einer Inhaftierung strenger gefasst hat.

Leider hat sich das Landgericht Hildesheim nicht zu der Frage geäußert, ob es überhaupt eine gesetzliche Grundlage für eine Inhaftierung bei einer „Dublin III-Abschiebung“ gibt. Das Gericht ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall nicht die Dublin III-Verordnung zur Anwendung käme, da der Asylantrag bereits im Oktober 2013 gestellt wurde, also vor In-Kraft-treten der Verordnung.

Siehe Beschluss des Landgerichts Hildesheim hier
Siehe Pressemitteilung von Rechtsanwalt Paulo Dias hier
Siehe Artikel in der Hildesheimer Allgemeinen hier

Das Amtsgericht Hannover war dagegen in seinem Beschluss vom 20.05.2014 der Meinung, dass die Dublin III-Verordnung auch anzuwenden ist, wenn der Asylantrag bereits vor In-Kraft-treten der Dublin III-Verordnung gestellt wurde. Daher hatte das Gericht auch entschieden, dass es an der gesetzlichen Grundlage in Deutschland fehle, eine Abschiebungshaft für eine „Dublin-Abschiebung“ zu verhängen, da es an der Vorgabe konkreter Kriterien für eine Inhaftierung fehle.
Siehe den Beschluss des VG Hannover hier

gez.
Sigmar Walbrecht

Inzwischen gibt es auch eine Pressemitteilung seitens des Protest-Camps, die hier zu lesen ist.

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